
Anfang August hatte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa die ungewöhnliche Gelegenheit, schnell und direkt sowohl mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin als auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu sprechen. Innerhalb von 48 Stunden informierte ihn jeder der beiden Staatschefs über den Krieg, der die Welt gespalten hat – und bestätigte damit Pretorias Engagement für Friedensbemühungen, während Südafrika gleichzeitig seine blockfreie Position beibehält.
Die aufeinanderfolgenden Gespräche unterstrichen nicht nur das heikle diplomatische Balancespiel des Landes, sondern bekräftigten auch Ramaphosas Bestreben, Südafrika als glaubwürdigen Vermittler in einem der schwierigsten Konflikte der modernen Zeit zu präsentieren.
Südafrikas Präsident spricht zum zweiten Mal in Folge mit Putin und Selenskyj
Am 7. August sprach Präsident Ramaphosa mit Putin, nachdem dieser ihn eingeladen hatte, ihn über den ukrainischen Friedensprozess zu informieren und gemeinsame Interessengebiete zu besprechen.
Der Kreml-Chef zollte Respekt und dankte Südafrika für seine Rolle bei der Förderung von Friedensbemühungen – eine bemerkenswerte Anerkennung vonseiten einer Regierung, die ausländische Vermittlungsversuche oft als nutzlos oder voreingenommen ablehnt.
Ramaphosa wiederum begrüßte diese Worte und bekräftigte Südafrikas uneingeschränkte Unterstützung für alle Schritte, die auf ein Ende des Krieges und einen dauerhaften Frieden abzielen.
Beide Präsidenten einigten sich zudem darauf, Gespräche über den Ausbau der strategischen Zusammenarbeit ihrer Länder fortzuführen – ein Hinweis auf Pretorias historische Verbindungen zu Moskau, die bis zur sowjetischen Unterstützung im Anti-Apartheid-Kampf zurückreichen.
Am darauffolgenden Tag verlagerte der südafrikanische Präsident seinen Fokus nach Kiew. Laut einer Erklärung des südafrikanischen Präsidialamtes wurde Ramaphosa während eines Telefonats mit Selenskyj über die ukrainische Position im Friedensprozess informiert.
Der ukrainische Präsident dankte Südafrika für die fortgesetzte Unterstützung bei der Suche nach einer friedlichen Lösung und bekräftigte Kiews Engagement für einen dauerhaften Frieden.
Die aufeinanderfolgenden Gespräche waren kein bloßer Zufall im Terminkalender: Sie zeigten den Balanceakt, beide Seiten in gleichem Maße anzusprechen und gleichzeitig Südafrikas Glaubwürdigkeit als blockfreier Vermittler zu wahren.
Dies war keineswegs Ramaphosas erster Versuch, beide Staatschefs in kurzer Abfolge einzubinden.
Im April sprach Ramaphosa mit Putin – kurz vor Selenskyjs historischem ersten Besuch in Südafrika und überhaupt auf dem afrikanischen Kontinent.
Damals verkündete er öffentlich, er und der russische Präsident seien „entschlossen, gemeinsam auf eine friedliche Lösung des Russland-Ukraine-Konflikts hinzuarbeiten“.
Nur wenige Stunden vor Selenskyjs Ankunft in Pretoria hatte der südafrikanische Präsident zudem mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump gesprochen.
Die Wurzeln von Südafrikas Vermittlungsrolle
Südafrikas Wunsch, als Vermittler zu agieren, ist nicht ohne Präzedenz.
Außenminister Ronald Lamola erklärte, dass die einzigartige Geschichte des Landes – einschließlich der erfolgreichen Verhandlungen zum Ende der Apartheid und der wichtigen Rolle bei der Beilegung zahlreicher Krisen in Afrika – Südafrika sowohl moralische Autorität als auch praktische Erfahrung in der Konfliktmediation verleihe.
Zudem gilt Südafrika als eine der einflussreichsten Nationen des afrikanischen Kontinents, der seit Langem ein Brennpunkt globaler wirtschaftlicher und militärischer Zusammenarbeit ist. Oft wird das Land als Tor zu Afrikas riesigem Markt betrachtet.
Sein Einfluss nicht nur in Afrika, sondern auch innerhalb der BRICS-Staatengruppe prädestiniert Südafrika dafür, als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine aufzutreten – zumal es hier ein komplexes Netz von Interessen gibt.
Doch nicht alle teilen diese Einschätzung.
Skepsis innerhalb Südafrikas
Der Politikanalyst Kingsley Makhubela von der Universität Pretoria bezweifelt, dass Südafrika auf eine der beiden Konfliktparteien nennenswerten Einfluss ausüben kann.
Gegenüber Al Jazeera erklärte Makhubela, dass selbst europäische Staaten, deren Interessen direkt vom Ausgang des Krieges betroffen sind, bisher keinen Einfluss auf die Verhandlungen nehmen konnten.
„Die Amerikaner und Russen sprechen miteinander. Und diese Gespräche sind sehr resistent gegenüber den Verbündeten der Amerikaner, den Europäern. Diese waren nicht beteiligt und haben gekämpft, um an den Verhandlungstisch zu kommen“, sagte er. „Ich verstehe nicht, welchen Wert Südafrika hier haben soll, wenn die Europäer, die ein direktes Interesse an der Lösung des Konflikts haben, keinen Einfluss ausüben können.“
Makhubela äußerte zudem die Sorge, dass Südafrika gezwungen werden könnte, sich zwischen den Interessen der USA und der EU bei der Konfliktlösung zu entscheiden. „Wir dürfen nicht in die Hände einer der beiden Seiten spielen.“ Er bezweifelte auch, dass Pretoria die Ukraine oder Russland zu Friedensverhandlungen bewegen könne. „Ich weiß nicht, welche Stärken Südafrika hätte, um diesen Prozess zu beeinflussen“, sagte er.
Dynamik zwischen Südafrika, Russland und der Ukraine
Selenskyjs Besuch im April verdeutlicht zudem eine weitere Dimension von Südafrikas Rolle im wachsenden Ringen globaler Mächte um Einfluss in Afrika. Der Ausbau von Kontakten in Afrika ist Teil von Kiews breiterer diplomatischer Strategie, um Unterstützung in den Vereinten Nationen zu gewinnen und russische Narrative zu entkräften – vor allem in Staaten, die sich bei Ukraine-Resolutionen enthalten.
Russland wiederum pflegt seit Jahren enge Beziehungen zu afrikanischen Ländern, indem es Sicherheitsunterstützung, wirtschaftliche Kooperation und politische Solidarität anbietet.
Vor diesem Hintergrund sind Ramaphosas Gespräche mit beiden Präsidenten mehr als nur ein Beitrag zum Frieden in Osteuropa – sie dienen auch dazu, Südafrika als bedeutenden diplomatischen Akteur in einer Welt zu präsentieren, in der die Stimme Afrikas zunehmend an Gewicht gewinnt.
In den Treffen sowohl im April als auch im August zeichnet sich ein klares Muster ab: Ramaphosa tritt zunächst als Zuhörer auf und bietet Putin wie Selenskyj gleichermaßen eine Plattform, ihre Argumente darzulegen. (Quelle: Newsletter Businessinsider)