10 Jahre Sea-Watch – Rückblick auf eine Idee, aus der eine Bewegung wurde

10 Jahre Sea-Watch – Rückblick auf eine Idee, aus der eine Bewegung wurde
2015: Im sogenannten „Sommer der Migration“ wagen hunderttausende mutige Menschen die gefährliche Überfahrt nach Europa. Foto: Sea-Watch e.V.
 

„Wenn wir eine Zeitreise zu den Anfängen von Sea-Watch machen, landen wir in der Talk-Show von Günther Jauch. „Herr Jauch, Deutschland sollte eine Minute Zeit haben, um diesen Menschen zu gedenken.“ Mit diesen Worten crasht Sea-Watch-Gründer Harald Höppner die Moderationspläne von Jauch und bringt ihn und das Publikum dazu, für „eine Minute Menschlichkeit“ innezuhalten. Die erste große mediale Aufmerksamkeit für das Projekt Sea-Watch.

Es ist der 19. April 2015. Einen Tag zuvor waren rund 900 Menschen bei einem Bootsunglück ertrunken – das größte bislang bekannte Unglück im zentralen Mittelmeer. Nur einen Monat später legt die Sea-Watch 1, ein umgebauter Fischkutter, im Mai 2015 zum ersten Mal von Lampedusa ab. An Bord ein kleines Team Freiwilliger, ausgerüstet mit einer Kamera, Schwimmwesten und der Hoffnung, dass Europa handeln würde, wenn es nur die grausame Realität auf dem Mittelmeer sehen könnte.

Selbst retten ist 2015 gar nicht unser Plan, schließlich liegt die Verantwortung bei den Küstenstaaten. Wir wollen eine schwimmende Notrufsäule sein, Ausschau halten, im Notfall Rettungsinseln bereitstellen und die Küstenwache alarmieren. Das, was im Mittelmeer geschieht, sichtbar machen. Deshalb nennen wir uns Sea-Watch – nicht Sea-Rescue.

Jetzt ist Mai 2025 und das hässliche Gesicht Europas hat sich in den letzten zehn Jahren immer deutlicher gezeigt. Wir haben täglich erlebt, wie naiv es ist, auf Menschlichkeit und Gerechtigkeit zu setzen. Der Kampf für Bewegungsfreiheit erscheint 2025 zunehmend aussichtslos. In einem Europa, das sich immer weiter abschottet, rassistische Politik betreibt, rechte Narrative verbreitet, und die Rechte von flüchtenden Menschen mit Füßen tritt. Doch eines dürfen wir nicht vergessen: Migration ist keine Krise, die kontrolliert werden kann. Sie ist ein Fakt. Sie war schon immer Teil der menschlichen Geschichte.

Menschen werden nicht aufhören, sich auf den Weg zu machen. In Sicherheit, in ein besseres Leben. In eine neue Zukunft. Es liegt an uns allen, diesen Menschen mit den Werten zu begegnen, die wir behaupten, zu vertreten.

Wenn wir auf zehn Jahre Sea-Watch schauen, dann sehen wir all die mutigen Menschen, die sich unter den widrigsten Bedingungen auf den Weg über das Mittelmeer gemacht haben. Mehr als 47.000 Menschen haben es an Bord unserer Schiffe geschafft – zehntausende weitere an Bord anderer ziviler Schiffe. Und viele weitere ganz ohne Hilfe. Jeder einzelne davon ist ein Beweis dafür, dass das rassistische Grenzregime nicht unüberwindbar ist. Und ein Antrieb für unsere Arbeit.

Hier sind wir also, zehn Jahre nach der offiziellen Gründung von Sea-Watch am 19. Mai 2015. Wir werden viel zu tun haben in den nächsten Jahren. Aber zum Glück ist aus der Idee See-Watch eine Bewegung geworden. Und viele Menschen können gemeinsam viel erreichen. Unzählige solidarische Unterstützer:innen haben die letzten zehn Jahre ermöglicht. Und die braucht es auch, um weiter an der Seite von Menschen auf der Flucht für ihre Rechte zu kämpfen. Ohne all diese Menschen gäbe es keine zivile Seenotrettung. Und darum ist auch genau jetzt der perfekte Moment, um eine Fördermitgliedschaft abzuschließen, wenn Du kannst. Denn wir machen weiter, solange es nötig ist!“ (Sea-Watch)