
Inspiriert von The Bachelor, sorgt die Reality-Show Latey in Äthiopien für Aufsehen – irgendwo zwischen Faszination und Kontroverse. In einem Land, in dem Gefühle eher zurückhaltend gezeigt werden, stellt dieses Format, bei dem zehn Frauen um einen Mann buhlen, gesellschaftliche Normen auf den Kopf und entfacht eine landesweite Debatte über die Rolle der Frau, die Liebe und den kulturellen Wandel.
In Latey: Looking For Love, einer an das amerikanische Erfolgsformat angelehnten Show, kämpfen zehn Frauen um die Gunst des äthiopisch-amerikanischen Junggesellen Messiah Hailemeskel – inszeniert als romantisches Fernsehspektakel. Während das Format bei neugierigen Zuschauer*innen durchaus Anklang findet, spaltet es die öffentliche Meinung in einem Land, in dem traditionelle Vorstellungen und Zurückhaltung das Liebesleben noch stark prägen.
Angriff auf die Sittlichkeit oder frischer Wind für Frauen?
Die bloße Vorstellung, dass Frauen öffentlich um einen Mann werben, sorgt bei vielen Äthiopierinnen für Empörung. Kritikerinnen sehen in der Show einen Affront gegen kulturelle und religiöse Werte, in denen Liebe als etwas Privates, Zurückhaltendes gilt. Dass Frauen aktiv die Initiative ergreifen, kehrt bestehende Geschlechterrollen um und sorgt bei manchen für Unbehagen.
Für die Teilnehmerinnen jedoch ist Latey mehr als nur ein Spiel um die Liebe. Es ist ein neuartiger Raum für Ausdruck und Selbstentfaltung. Einige sehen darin die Chance, ein neues Bild der äthiopischen Frau zu zeigen: unabhängig, ehrgeizig, verletzlich. Hinter der Liebessuche stehen Geschichten von Mut, Lebenswille und Emanzipation. Eine Kandidatin erzählt, sie sei allein aus Eritrea geflohen; eine andere arbeitet, um ihre Geschwister zu versorgen. Diese Stimmen bringen frischen Wind in die Darstellung von Frauen in äthiopischen Medien.
Kühne Produktion zwischen Moderne und kultureller Selbstreflexion
Die Produzentin Metasebia Yoseph steht hinter dem Projekt und vertritt eine progressive, inklusive Vision. Latey sei keine seelenlose Kopie eines westlichen Formats, sondern eine bewusste, äthiopische Neuinterpretation. Die Show sei nicht sexualisiert, sondern fokussiere sich auf das gegenseitige Kennenlernen, auf entstehende Gefühle und ehrliche Gespräche. „Es ist eine Einladung, unsere Kultur zu hinterfragen – ob wir starr sind oder eine Gesellschaft, die sich weiterentwickeln kann“, erklärt Yoseph.
Manchen Zuschauer*innen ist diese Herangehensweise willkommen. Es gibt viel Zuspruch für die Kreativität, Authentizität der Kandidatinnen und den Mut, Tabus zu brechen. Andere – vor allem konservativere Stimmen – kritisieren das Format als unpassend, künstlich oder sogar entwürdigend.
Eine neue Ära für äthiopisches Reality-TV?
Trotz der Kritik plant Latey bereits eine zweite Staffel – diesmal mit einer Frau in der Hauptrolle, die zwischen zehn männlichen Bewerbern wählt. Ein Versuch, die Rollenverteilung auszugleichen und den öffentlichen Diskurs über Liebe in Äthiopien weiter anzustoßen. Die Romanze zwischen Messiah und Gewinnerin Bethel Getahun hielt der Entfernung nicht stand, doch laut Bethel hat die Show neue Perspektiven eröffnet: Eine vielfältigere, menschlichere und freiere Darstellung von Frauen.
In einer Gesellschaft im Wandel verkörpert Latey den Zwiespalt moderner Kulturen: Zwischen Achtung vor Traditionen und dem Wunsch nach Selbstbestimmung. Die Grenze ist oft unscharf – doch die Debatten, die sie auslöst, sind mehr als deutlich. (Quelle: afrik.com)