Afrika: Das Stigma der Unfruchtbarkeit

Afrika: Das Stigma der Unfruchtbarkeit
Foto: ia

Unfruchtbarkeit klingt in Afrika wie ein Widerspruch. Denn der Kontinent wächst jedes Jahr um mehrere Millionen. Doch bleibt nach Schätzungen der WHO jedes vierte Paar kinderlos. Wenn eine Frau in Afrika keine Kinder bekommt, betrachtet das die Gesellschaft als Makel. Unfruchtbarkeit gilt als Unglück. Die Leiden der Frauen in Burundi schildert  die Journalistin Mireille Kanyange  im neuesten Heft E+Z 2023/07-08. „Neben der Enttäuschung keine Kinder zu bekommen, wurde seine Frau angefeindet. Patricks Freunde rieten ihm immer wieder , seine Frau aus dem Haus zu jagen und sie zu verlassen. Patricks Frau musste jahrelang Beschimpfungen von ihren Schwiegereltern und Bekannten über sich ergehen lassen.“ Anders als viele andere Männer in Burundi war ihr Mann verständnisvoll und hat sie immer unterstützt. (Nach elf Jahren bekamen sie tatsächlich noch zwei Kinder.) In einem anderen von Frau Kanyange geschilderten Fall „ Befahlen die Schwiegereltern meinem Mann in meinem Beisein, mich sofort aus dem Haus zu jagen, was er auch tat. Ich kehrte zu meinen Eltern zurück.“

Solche haarsträubenden Erfahrungen machen viele Frauen auf dem Kontinent, nicht nur in Burundi. Aber wie in Burundi beschuldigen Männer ihre Frauen der Unfruchtbarkeit und weigern sich, sich selbst untersuchen zu lassen. In Nigeria ist z.B. oft die Heirat direkt an die Geburt eines Kindes geknüpft. Aber auch Frauen, die ein Kind zur Welt bringen, es dann aber verlieren, werden ebenfalls ausgegrenzt. Das gesellschaftliche Stigma der Kinderlosigkeit, insbesondere bei unfruchtbaren Frauen führt in Afrika nicht nur auf dem Land zu großem sozialen Druck, Diskriminierungen, Angst, Schuldgefühlen. Manche begehen aus Verzweiflung sogar Selbstmord. Der Dokumentarfilm L’ ARBRE SANS FRUIT aus dem Niger hat dies 2016 hervorragend thematisiert. Dort kommen auch nigrische  Gynäkologen und Krankenschwestern zu Wort, die über männliche Unfruchtbarkeit sprechen. (Leider ist der Film nur in französischer Sprache erhältlich).

Die nigerianische Schriftstellerin Sefi  Atta ( Wole Soyinka Price for African Literature) schreibt in ihrem Roman „It’s my turn“,Peter Hammer Verlag, 2010 „Du weißt, dass eine Frau nicht verheimlichen kann, wenn sie unfruchtbar ist. Wenn ein Mann zeugungsunfähig ist, muss niemand davon erfahren. Verstehst du? Die Frau sucht jemanden anderes, um ein Kind zu zeugen, und hält das Ganze geheim….traditionelle afrikanische  Samenspende… Wie viele mutterlose Kinder haben wir hier? Und trotzdem gilt bei uns das Gebären immer noch als das Höchste. Du musst Kinder kriegen, du musst Kinder kriegen, um jeden Preis.“ (Seiten 188/189)

(Volker Seitz, Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv, 11. Auflage 2021)