Buchtipp: “ 50 Jahre Entwicklungshilfe: 50 Jahre Strohfeuer“

Buchtipp: " 50 Jahre Entwicklungshilfe: 50 Jahre Strohfeuer“Es ist ein überaus spannendes und immer wieder neu und kontrovers diskutiertes Thema. Die sehr vielschichtigen Aspekte der Entwicklungshilfe, ihre Wirkungen und Resultate haben nichts an Aktualität verloren. Aus ganz verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven werden Fragen nach der Wirksamkeit und Berechtigung gestellt. Wie auch in der jüngsten Entwicklung zu sehen ist, gehen die Einschätzungen, was Entwicklungshilfe inhaltlich zu leisten vermag, und wem sie letztlich von Nutzen ist, sehr weit auseinander.

Frank Bremer ist Entwicklungssoziologe, Ethnologe und Entwicklungsökonom. Der Verfasser hat über 20 Jahre in Burundi, in Benin und in der Elfenbeinküste für die GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) gearbeitet.

In seiner Veröffentlichung beschreibt er, dass Entwicklungshilfe die ihr gesetzten Ziele, wie die Armutsminderung nicht erreicht hat. Er begründet es mit der falschen Wahl der Zielgruppe, mit einer nicht funktionierenden Methode und einem untauglichen Format, dem Projekt.

Bremer hat den Anspruch, Erfolge und Misserfolge der Entwicklungshilfe zu thematisieren. Er unternimmt einen kurzen Ausflug in die Begründung und den Kontext der Entwicklungshilfe. Anschaulich seine Aussage, dass die Bewohner der auf der Berliner Konferenz von 1884 willkürlich gezogenen Grenzen, Bürger eines künstlichen Staates und eines künstlichen Namens seien. Familienverbände haben somit lebenswichtige Einflüsse. Diese schwierigen sozialen Komponenten und das aus der Kolonialzeit übernommene Wirtschaftssystem führen seiner Meinung nach dazu, dass die Entwicklungshilfe keine Verbesserung der Lebensbedingungen erreichen konnte. Vielmehr werden die Entwicklungsorganisationen immer größer und die Dienstleister immer wohlhabender.

Entwicklungshilfe konzentriert sich, seiner Auffassung nach, vorzugsweise auf die ländlichen Gebiete.  Sinnvoller, so unterstreicht er, sei die Bekämpfung der Armut in den Städten. Diese existiert seiner Ansicht nach nicht. Im Verlauf seiner Darstellung bezieht er sich auf die Armut auf dem Lande und benennt die Landarbeiter und die afrikanischen Kleinbauern als Hauptzielgruppe der Entwicklungshilfe.

Diese Gruppe charakterisiert er ausführlich. Er schließt sich den internationalen Diskussionen an, dass erst dann die Armut der Kleinbauern überwunden ist, wenn diese für ihre Erzeugnisse angemessene und faire Preise bekommen.

Armut lässt sich seiner Meinung nach durch zeitlich begrenzte Projekte der Entwicklungshilfe nicht bekämpfen oder verringern. Armut ist für ihn strukturell bedingt und von Faktoren abhängig, die nicht durch Projekte beeinflusst werden können. Als Beispiel für ländliche Armut benennt der Autor die Kakaobauern, die mit zahlreichen Entwicklungsprojekten, die Ertrags und Einkommenssteigerung zum Ziel haben, überschüttet werden.

Seiner Ansicht nach wird Kakao in der Elfenbeinküste ausschließlich von Kleinbauern und ihren Familien angebaut. Kinderarbeit existiere dabei im familiären Zusammenhängen. Aus seinen Erfahrungen in der GIZ schlüsselt er die Etappen von den Regierungsverhandlungen bis zur Umsetzung eines Projektes auf. Der Autor benennt dabei die Fixierung auf entsandtes eigenes Personal, die hohen Kosten in der Durchführung, die nicht existierende Dokumentation von bereits realisierten Studien und Gutachten und das nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmende Bild der GIZ als kritische Elemente. Auch die Evaluierungspraktiken der GIZ schätzt er als nicht ausreichend ein, er fordert eine unabhängige Form der Bewertung von Ergebnissen in der Zusammenarbeit.

Seiner Auffassung nach sind diese Kritikpunkte eindeutige Hinweise, dass Reflektion, Selbstkritik und Veränderungen nicht anvisiert werden, weiterhin stattdessen nach 50 Jahren Routine und Erfolgslosigkeit die Praxis prägen.

In den Schlussfolgerungen und Perspektiven wird der Marshallplan mit Afrika erwähnt. Der Verfasser stellt die Frage, was Afrika brauche für wirtschaftliche Entwicklung und zur Verbesserung seiner Lebensbedingungen. Für ihn ist das die Infrastruktur. Als Beispiel führt er die chinesischen Investitionen an. China habe schneller die Bedeutung Afrikas als Rohstofflieferant und als Markt erkannt.

Die immer wieder geforderten fairen Preise für die Exportprodukte, sowie Not -und Katastrophenhilfe sind ebenso für den Verfasser wesentliche Eckpunkte in der Entwicklungszusammenarbeit.

Flüchtlingshilfe und Migration: hierzu meint der Autor, dass eine gerechtere Verteilung der Chancen und des gesellschaftlichen Reichtums in den Herkunftsländern entscheidend seien, um die Migrationsursachen mehr in den Blick zu nehmen. Zudem verweist er darauf, dass eine internationale Diskussion über die Neuorientierung der bisherigen technischen Zusammenarbeit, sowie eine Aufstockung der finanziellen Zusammenarbeit nach 50 Jahren unabdingbar seien.

Entwicklungsprojekte können nichts ausrichten, denn – so der Autor -, der größte Teil fließe in die Umsetzungskosten der Organisationen. Gefordert sei hier der politische Dialog. Im Abschnitt Klimawandel und Artensterben, fordert er die internationale Kooperation.

Das Buch ist eine Aufforderung, sich diesem Thema zu stellen, zu differenzieren, die historischen, die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge dieser Fragen nicht aus den Augen zu verlieren. Diese Neuerscheinung bietet viele Ansätze in der Beurteilung von Entwicklungshilfe. Es lohnt sich, diese Ausführungen genauer zu analysieren und nach den Kriterien in der Einschätzung von Entwicklungshilfe zu fragen.

Nicht nur in Wahlkampfzeiten bleiben diese Themen weltumspannend und bedeutsam für die Gegenwart und die Zukunft (Theresa Endres).

Frank Bremer
50 Jahre Entwicklungshilfe: 50 Jahre Strohfeuer
R.G. Fischer Verlag, Frankfurt /Main 2021
150 Seiten, 16,90 Euro
ISBN 978-3-8301-1878-7