Buchtipp: Hennig Melber (Hrsg.) „Solidarität mit Zimbabwe“

Buchtipp: Hennig Melber (Hrsg.) "Solidarität mit Zimbabwe"

In diesem Sammelband thematisieren 18 Aktivist:innen ihre Erfahrungen, ihre Wünsche und Vorstellungen von 40 Jahren Solidarität. Aus unterschiedlichen Perspektiven werden die Ereignisse in Zimbabwe beleuchtet und analysiert. Das Zimbabwe Netzwerk will mit dieser Publikation eine selbstkritische Bilanz seiner Solidaritätsarbeit vorlegen. Die Autoren:innen beurteilen aus ihrer Sicht ihren Anspruch, die Grenzen und Möglichkeiten solidarischen Handelns, den Umgang mit enttäuschten Hoffnungen sowie die Suche nach einem neuen Selbstverständnis.

Ein Blick in die Geschichte. 1980 wird Zimbabwe unabhängig. Ein Land, reich an Bodenschätzen, fruchtbaren Böden, touristischem Potenzial, ausgebauter Infrastruktur und ausgebildeten Arbeitskräften. Eine Phase, in der voller Hoffnung auf Mugabe geblickt wurde, dem es gelang, nach langen Kämpfen gegen die Kolonialherrschaft die Wahlen zu gewinnen. Das Vertrauen der Bevölkerung sowie die internationale Solidarität waren ihm sicher.

Nach zwanzig Jahren Mugabe-Regierung haben sich die ökonomischen, sozialen und politischen Verhältnisse grundlegend verändert. Beschlüsse des Parlamentes ignoriert er, verhängt den Ausnahmezustand, bestimmt willkürlich über das Leben der Bevölkerung. Gesetze, die ihm nicht passen, schafft er ab. Positionen in allen Bereichen besetzt er nach seinem Gutdünken. Die internationale Nahrungsmittelhilfe lehnt er ab.

In der Einleitung verweist Henning Melber darauf, dass trotz der Einschränkung der Pressefreiheit immer wieder Kritiker:innen in ihren Büchern, wie Tsitsi Dangarembga, die menschenverachtende Situation der Bevölkerung anprangertn. Er plädiert für notwendige Auseinandersetzungen, um zu klären, wie die Solidarität heute mit den Menschen aus und in Zimbabwe aussehen könnte.

Ruth Weiss floh unter der Naziherrschaft aus Deutschland. In ihrem Beitrag lässt sie zahlreiche Begegnungen mit den Menschen in Zimbabwe lebendig werden. Sie weist auf ihre journalistische Tätigkeit hin, immer mit dem Schwerpunkt, die Befreiungsbewegungen auf vielfältige Weise durch ihr Engagement zu unterstützen.

Helmut Orban lebt heute in Zimbabwe, dort hat er in verschiedenen Zusammenhängen gearbeitet. Den Charakter der Solidaritätsbewegung beschreibt er mit dem Beginn der 68er-Bewegung, dem Vietnamkrieg, der Suche nach Gemeinsamkeiten in der materiellen und finanziellen Unterstützung Afrikas. Viele Fragen wirft es auf, unter anderem, was aus dem Wunsch und der Hoffnung geworden sei, dass die Befreiungsbewegungen den afrikanischen Kontinent umkrempeln und eine neue afrikanische Politik entstehen wird. Die afrikanische Jugend ist für ihn der gegenwärtige Hoffnungsträger.

Roger Southall, ehemaliger Professor für Soziologie in Johannesburg, sagt zu den Ereignissen nach 1980: „Nie werde ich behaupten, dass ich über die gegenwärtige Tragödie Bescheid weiß, trotz meiner Aufenthalte und Forschungsprojekte in Zimbabwe. Ein Urteil überlasse ich anderen und denen, die im Exil leben“. Für ihn bleibe die Faszination für dieses Land.

Aspekte der systematischen sexualisierten Gewalt zum Machterhalt werden anschaulich dargelegt von der Wissenschaftlerin Rita Schäfer. Sie sieht in den Gewaltpraktiken der Regierung, 1983, mit dem Verbot von Frauen in den Städten zu arbeiten, einen harten Einschnitt in ihr Dasein. Die Zerstörung der Wohn- und Existenzgrundlagen, mit der damals größten Gruppe landesinterner Vertriebener in Afrika, die Cholera-Epidemie 2008/2009, benennt sie als eine enorme Belastung, denen Frauen ausgesetzt sind. Rita Schäfer fragt nach, auf wen sich die Solidarität gerichtet hat.

Gisela Feurle betont, dass ihre Einstellung zur Solidarität mit dem Kampf für Unabhängigkeit Risse bekommen habe als sie immer mehr Einblicke in das tägliche Leben von ehemaligen Befreiungskämpferinnen und Kleinbauern erhielt. Sie beschreibt, dass nach ihrer Rückkehr nach Deutschland 1987 für sie eine Abkehr begonnen habe. Weg von der Idealisierung der Befreiungsbewegung durch kritische Lektüre, Diskussionen und dem Engagement im Zimbabwe Netzwerk.

Heidi Hesse, fünf Jahre Lehrerin in Zimbabwe und Begleiterin für Schulpartnerschaften, berichtet von der Aufbruchsstimmung in Zimbabwe, wie auch in der deutschen Solidaritätsbewegung. Unterstützung erfolgte durch den Bau von Schulen, Schulpatenschaften, Lehreraustausch und Schüler:innenreisen. Sie erläutert die Ergebnisse der verhängten Sanktionen von 2000 bis 2015, und dass mit der Einheitsregierung 2009 wieder Projekte realisiert werden konnten. Sie plädiert für neue Beziehungen und Themen wie globale Welt und Klimawandel.

Irene Staunton hat als Gründerin der Verlage Baobab und Weaver Press bedeutsame Autoren:innen aus Zimbabwe publiziert. Sie hat damit diese Literatur einer breiten Leserschaft ermöglicht. Im Interview führt sie aus, was Solidarität für sie bedeutet.

Shari Eppel, Psychologin und Menschenrechtsaktivistin, ist seit 25 Jahren Leiterin einer zivilgesellschaftlichen Organisation. Sie arbeiten in der Ausbildung für schwangere Mädchen und dokumentieren die Auswirkungen von Armut sowie die Massenvernichtung im Matabeleland. Die Solidarität habe es ermöglicht, so Eppel, Tausende von Leben zu verändern, diese Arbeit über Generationen hinweg zu führen. Wichtig, so fasst sie die Unterstützung zusammen, seien die kleinen Akte der Solidarität und des menschlichen Miteinanders, die Begegnungen mit offiziellen Vertretern, mit Netzwerkmitgliedern, die finanzielle Unterstützung ihrer Organisation. Beeindruckt habe sie die Verarbeitung des Holocaust.

Simba Makoni, früher Vertreter der ZANU, zwei Jahre an der Mugabe Regierung beteiligt, benennt die Rolle der Solidaritätsbewegung als Bildung der Bürger im Kampf in ihrem Land. Weiterhin sieht er in der Lobbyarbeit in Deutschland, der Durchsetzung der UN-Sanktionen, der Mobilisierung von materieller Unterstützung für die Befreiung Zimbabwes, wichtige Elemente.

Ibbo Mandaza ist Gastprofessor in Johannesburg und aktiv im Forschungsrat für Humanwissenschaften. Er arbeitete im Ministerium für Arbeit und Entwicklung, dort verantwortlich für die berufliche Bildung. Er erinnere sich an Deutschland, an die Missionare, seine prägende Ausbildung, an die wichtige Unterstützung der industriellen und beruflichen Entwicklung. Für ihn sei dies ein immenser, unschätzbarer Beitrag Deutschlands.

Die einzelnen Etappen in der Entwicklung der Geschichte von 40 Jahren Zimbabwe Netzwerk, verknüpft mit den jeweiligen historischen Bedingungen, lassen sich auf den Seiten 160-215 nachlesen.

Diese breit gefächerte, umfassende Veröffentlichung zu Fragen der Bewertung der Entwicklungen in Zimbabwe macht deutlich, dass eine Beschäftigung mit unseren Vorstellungen und Wünschen, wie ein gerechtes und ein gutes Leben für alle aussehen kann, immer notwendig sein wird.

Die Veröffentlichung schafft Raum für die Vielfalt in der Betrachtungsweise der wechselvollen Geschichte von Zimbabwe, der Solidaritätsbewegung und ihrer Wahrnehmung. Die Darlegung von unterschiedlichen Gesichtspunkten macht diese Publikation zu einer wertvollen, zum Nachdenken und Nachlesen anregenden Lektüre. (Theresa Endres)

Henning Melber (Hrsg.)
Solidarität mit Zimbabwe
40 Jahre Zimbabwe Netzwerk: Geschichte, Analysen, Perspektiven
brandes + apsel, 2024
29,80 Euro
ISBN 978-3-95558-367-5