Buchtipp: „Namibische Gedenk- und Erinnerungsorte, postkolonialer Reisebegleiter in die deutsche Kolonialgeschichte“

Buchtipp: „Namibische Gedenk- und Erinnerungsorte, postkolonialer Reisebegleiter in die deutsche Kolonialgeschichte"Eine spannende Herangehensweise an die Geschichte der Vergangenheit zeigt die Veröffentlichung von Bernd Heyl. Mehrere Autoren beschäftigen sich in ihren Kapiteln mit den deutschen Kolonialereignissen. Formuliert wird der Anspruch, die koloniale Herrschaft in ihren Ausprägungen der grausamen Unterdrückung der Bevölkerung aufzuzeigen. Ebenso werden die landesweiten Widerstandsbewegungen thematisiert.

Fragen werden gestellt nach einer Einordnung der Kolonialpolitik in der Phase des Imperialismus: was steckte hinter den Ideen, andere Völker zu unterdrücken, wie ist die Rolle der Missionen zu sehen warum, diesen entsetzlichen und unvorstellbaren grausamen Völkermord an den Ovaherero und Nama, wie sind die Infrastrukturmaßnahmen einzuordnen, welche Änderungen zeigten sich in der sozialen Stellung der Afrikaner:innen, existierten Gegner des Kolonialismus, was vermitteln Bilder, Fotografien und Postkarten aus dieser Zeit.

In den weiteren Abschnitten werden die einzelnen historischen Eckpunkte aufgezeigt. Die Kolonialgebäude legen Zeugnisse ab, von den gewaltigen unvorstellbaren Grausamkeiten, denen vor allem Ovaherero und Nama ausgeliefert waren. Davon zeugt auch die „Eingeborenenordnung“ von 1907. Verboten waren Landbesitz und Großvieh. Dadurch entstand der Zwang zur Arbeit bei den Siedlern, mit Verhältnissen von unvorstellbarer Willkür und miserablen Bedingungen.

Im zweiten Teil dieses Buches werden namibische Gedenk- und Erinnerungsorte mit historischen Aufnahmen belegt, sie sind Symbole der Macht und bedingungsloser brutaler Unterdrückung. Die rote Linie deckt sich weitgehend mit der Veterinärgrenze im Norden Namibias. Die Grenzziehung ist nach vor gültig. Sie ist das Ergebnis der deutschen gewalttätigen Landnahme, die bis in die heutige Zeit hineinwirkt.

Kolonien besitzen zu wollen, hatte sich bereits vor der Reichsgründung von 1871 in den Köpfen festgesetzt. Versprochen wurden Handel, Plantagen und Siedlungsland. Unterstützung fanden diese Ambitionen bei den christlichen Missionen Deutsch-Südwestafrikas. Die kaiserliche Schutzmacht sorgte für die Fortsetzung der Unterdrückung und der Gewalt. Die deutschen Kolonialstrategen wollten ein Weltreich für wenig Geld.

Die Ovaherero und Nama verfügten über ein Sozialsystem mit festen Strukturen, über Waffen sowie die Möglichkeiten ihrer eigenen Herrschaftsgebiete zu festigen. Sie versuchten sich gegen die Kolonialmächte zu wehren, außerdem hatten sie einige der im Land Lebenden für sich gewinnen können.

1904 begann der Krieg, zunächst erzielten die Ovaherero militärische Erfolge. Zahlreiche Aufnahmen dokumentieren die Versuche der deutschen Kolonialherren, immer wieder ihre Macht zu festigen und mit brutalen Mitteln zu demonstrieren.

Trotz des Kriegsendes 1908, wurden der Entzug der Lebensgrundlage der Ovaherero und Nama, ihres Landes und ihres Viehbestandes, fortgesetzt. Der Vernichtungskrieg, das Sterben ging weiter, mit Zwangsarbeit und Konzentrationslager.

Eine interessante Neuerscheinung, die die Spuren der kolonialen Vergangenheit sichtbarer und nachvollziehbarer macht.

Ihre Wirkungen sind bis in die jetzige Zeit deutlich sichtbar. 2004 entschuldigte sich die frühere Bundesministerin für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit Frau Wieczorek-Zeul, für diese begangenen Verbrechen. 10 Jahres später erkannte das Auswärtige Amt den Vernichtungskrieg als Völkermord an.

Die Lektüre des Buches ermöglicht den Lesern einen aufschlussreichen Zugang zu historischen Ereignissen oder Vorgängen. Zu diesen Themen wurden zahlreiche Archivmaterialien, historische Abbildungen genutzt. Eine andere wichtige Quelle ist die Unterstützung von Namibier:innen bei den Recherchen vor Ort.

Das Buch lädt ein, sich umfassende Hintergründe über den Kolonialismus zu erschließen. Es ist ein Gewinn, einen anderen Blick auf die Geschichte, des erst 1990 unabhängigen Namibia zu werfen.

Die gewaltsame Enteignung der fruchtbaren Gebiete an die Siedler prägen noch heute die Verhältnisse in den Landesteilen, in denen Ovaherero und Nema, leben.

Die gegenwärtigen Diskussionen um den Völkermord verdeutlichen eindringlich die Bedeutung für die Gegenwart. In diesem Zusammenhang ist diese Publikation ein bedeutsamer Beitrag der Erinnerungskultur (Theresa Endres).

Bernd Heyl
Namibische Gedenk -und Erinnerungsorte, Postkolonialer Reisebegleiter in die deutsche Kolonialgeschichte
282 Seiten, Brandes&Apsel Verlag, 2021
ISBN 978-3-95558-306-4
Euro 29,90