Dürre, Ernährungskrisen und Krankheitsausbrüche in Ostafrika: Berichte aus Somalia, Äthiopien und Kenia

Dürre, Ernährungskrisen und Krankheitsausbrüche in Ostafrika: Berichte aus Somalia, Äthiopien und KeniaIn mehreren Ländern im Osten Afrikas beobachten Teams von Ärzte ohne Grenzen besorgniserregend hohe Raten von Mangelernährung sowie Ausbrüche von Krankheiten. In vielen Regionen ist die Regenzeit drei oder vier Jahre in Folge ausgeblieben. Dürren sowie mancherorts auch Kämpfe treiben Menschen in die Flucht und berauben sie ihrer Lebensgrundlagen. Hunderttausende Menschen in der Region brauchen dringend mehr humanitäre Hilfe.

Sie finden hier aktuelle Berichte aus Somalia/Somaliland, der Region Afar in Äthiopien sowie dem Nordosten Kenias.

Somalia und Somaliland: Die Dürre verschärft die Gesundheitskrise
Nach vier schlechten Regenzeiten sowie einer Heuschreckenplage am Horn von Afrika herrscht in Somalia und Somaliland derzeit eine der schlimmsten Dürreperioden seit mehreren Jahrzehnten. Große Wasserknappheit und trockene Weiden haben die Viehbestände dezimiert und die somalischen Hirtengemeinschaften ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Infolge von Ernteausfällen und steigenden Preise sind viele Menschen immer weniger in der Lage, dem Hunger etwas entgegenzusetzen.

Aufgrund der Dürre sowie anhaltender Unsicherheit hatten Hunderttausende keine andere Wahl, als aus ländlichen Gegenden in die Städte zu ziehen in der Hoffnung, dort Nahrungsmittel, sauberes Wasser, sichere Unterkünfte und Gesundheitsversorgung zu bekommen. Viele Menschen sind auch in Lager für Binnenvertriebene geflüchtet, wo es jedoch nicht ausreichend sanitäre Anlagen oder Trinkwasser gibt.

Zu der Dürre, den jahrzehntelangen Konflikten und der Armut, mit denen die Menschen in Somalia sich konfrontiert sehen, kommt derzeit ein großer Masernausbruch hinzu. Verbreitete und eigentlich vermeidbare Krankheiten wie Masern und Durchfall sind in Somalia und Somaliland die Haupttodesursache von Kindern. Die große Wasserknappheit und die Ernährungsunsicherheit begünstigen die Verbreitung dieser Krankheiten.

Die Aktivitäten von Ärzte ohne Grenzen in Somalia und Somaliland sind örtlich begrenzt, dennoch sehen die Teams vor Ort besorgniserregende Anzeichen für akute Mangelernährung bei Kinder in der gesamten Region.

„Die Somalier erleben eine Krise nach der anderen“, sagt Djoen Besselink, Landesvertreter von Ärzte ohne Grenzen in Somalia. „Wir hören Geschichten von großer Verzweiflung. Einige Menschen erzählen uns, dass sie die unmögliche Entscheidung treffen mussten, eines ihrer Kinder sterben zu lassen, um die anderen zu retten. Die Menschen befinden sich in einer Abwärtsspirale, die ohne eine rasche und nachhaltige Reaktion weiterhin einen hohen Tribut von den Somaliern fordern wird“, so Besselink.

Äthiopien: Alarmierende Anzeichen einer Ernährungskrise von großem Ausmaß in der Afar-Region
Die Teams von Ärzte ohne Grenzen beobachten alarmierende Anzeichen einer weitreichenden Ernährungskrise in der Region Afar im Nordosten Äthiopiens. Hunderttausende Menschen sind dort vor den jüngsten Kämpfen und Konflikten geflohen und sehen sich nun mit Dürre, Hunger sowie einem mangelnden Zugang zu Wasser und Gesundheitsversorgung konfrontiert.

„Was uns am meisten beunruhigt ist, dass wir derzeit nur die Spitze des Eisbergs sehen, und die ist schon sehr besorgniserregend“, sagt Raphael Veicht, Notfallkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Addis Abeba.

Teams von Ärzte ohne Grenzen haben seit April die Unterstützung für das Dupti-Krankenhaus in Afar ausgeweitet, das einzige Krankenhaus in einer Region mit 1,1 Millionen Menschen, in dem Patient*innen mit Mangelernährung behandelt werden können. Die Zahl schwer mangelernährter Kinder, die dieses Jahr in dem Krankenhaus zur Behandlung aufgenommen wurden, ist jetzt bereits drei bis vier Mal so hoch wie im vergangenen Jahr. Die Sterblichkeitsrate der Patient*innen ist erschütternd hoch und liegt in manchen Wochen bei mehr als zwanzig Prozent. Allein in den letzten acht Wochen sind fünfunddreißig Kinder gestorben, und mehr als zwei Drittel von ihnen starben innerhalb von 48 Stunden nach der Aufnahme.

„Eine Kombination aus Konflikt, Vertreibung, fehlender Gesundheitsversorgung sowie einem Mangel an Nahrungsmitteln und Wasser führt dazu, dass viele Menschen in Afar nicht einmal in der Lage sind, für ihre grundlegendsten Bedürfnisse zu sorgen“, sagt Veicht. „Diese Menschen brauchen dringend mehr humanitäre Hilfe.“

Auch in anderen Landesteilen Äthiopiens kämpfen Hunderttausende um ihr Überleben. In Wardher hat eine anhaltende Dürreperiode zu Nahrungsmittelunsicherheit und Wassermangel geführt, mit der Menschen nach wie vor zu kämpfen haben, obwohl der Regen nun endlich eingesetzt hat. Gemeinden in der gesamten Region warnen vor einer katastrophalen Dürre, die den Viehbestand und andere überlebenswichtige Güter vernichtet, während Wasser, Nahrungsmittel und der Zugang zu medizinischer Versorgung oft unerreichbar sind.

Kenia: Im Nordosten des Landes steigen die Raten an Mangelernährung
(Update von Mitte Mai 2022): Im Nordosten Kenias haben eine Dürre und drei ausbleibende Regenzeiten in Folge die Ernährungsunsicherheit verschärft. Der Bezirk Masabit befindet sich auf Stufe 3 der Krisenskala für Ernährungsunsicherheit (gemäß Integrated Phase Classification, einem internationalen System für die Einstufung von Ernährungsunsicherheit, IPC) mit hohen oder überdurchschnittlich hohen Raten akuter Mangelernährung. Ohne zusätzliche medizinische oder humanitäre Hilfe könnte dieser Zustand bis September 2022 anhalten. Trotz der anhaltenden Dürreperiode haben weder die Behörden auf Bezirksebene noch die kenianische Regierung ausreichend Gelder für Nahrungsmittel bereitgestellt. (MSF)