Gerechtigkeit für Lamin Touray aus Gambia – Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert lückenlose Aufklärung des tödlichen Polizeieinsatzes

Gerechtigkeit für Lamin Touray aus Gambia – Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert lückenlose Aufklärung des tödlichen Polizeieinsatzes

Am vergangenen Samstag (30. März) wurde der 46-jährige Lamin Touray aus Gambia in Nienburg von Polizist:innen getötet. Die Beamt:innen gaben mindestens acht Schüsse auf den Verstorbenen ab, die ihn allesamt trafen. Ein Video, das in den sozialen Netzwerken kursiert, zeigt, wie die Beamt:innen aus nächster Nähe auf Lamin schießen: Zunächst fallen zwei Schüsse. Nach einer kurzen Feuerpause wird eine weitere Salve von fünf Kugeln auf Lamin abgefeuert. Erneute Feuerpause. Es fällt ein weiterer Schuss. Laut Obduktionsbericht waren zwei dieser Schüsse – einer in die Leber und einer ins Herz – ursächlich für den Tod Lamins.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert, die Todesumstände Lamins umfassend und lückenlos aufzuklären. Für die NGO bleibt es weiterhin unbegreiflich, wieso der Polizeieinsatz eskalierte und Lamin sterben musste. Die Strafverfolgungsbehörden sind unter anderem Antworten auf folgende Fragen schuldig:

  • Die Polizei wurde von Angehörigen Lamins darüber informiert, dass dieser sich in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Wurde dies im Rahmen des Einsatzes von den Polizist:innen berücksichtigt? Falls ja, wie genau?
  • Lamin habe die Polizei mit einem Messer bedroht, was die Polizist:innen in Gefahr gebracht habe. Weshalb haben die 14 (!) eingesetzten Polizist:innen den Druck auf Lamin erhöht und die Situation weiter eskaliert, anstatt sich zunächst zurückzuziehen und die Situation – unter Hinzuziehung psychologischer Fachkräfte – zu deeskalieren?
  • Weshalb haben die Polizist:innen es der Freundin Lamins verwehrt, ihn zur Kooperation mit der Polizei zu bewegen?
  • Weshalb haben die Beamt:innen den Polizeihund entleint und auf Lamin gehetzt? War dies aus Sicht der Polizei geeignet, die Situation zu deeskalieren?
  • Weshalb sind die ersten beiden Schüsse auf Lamin gefallen? Gab es keine milderen Mittel, mit denen die 14 (!) Polizist:innen die – vermeintliche – Gefahr hätten abwehren können?
  • Wie rechtfertigen sich die Schüsse drei bis sieben sowie Schuss acht, die jeweils nach einer Feuerpause erfolgten? Weshalb sind die Polizist:innen davon ausgegangen, dass nach den ersten beiden Schüsse, die Lamin getroffen haben, noch insgesamt sechs weitere Schüsse erforderlich waren, um die – vermeintlich –  von im ausgehende Gefahr abzuwehren?
  • Weshalb behaupten die Strafverfolgungsbehörden, Lamin habe seine Freundin mit einem Messer bedroht, obwohl die Freundin dies bestreitet?
  • Weshalb sind immer wieder Schwarze und geflüchtete Menschen und Personen of Color von tödlicher Polizeigewalt betroffen? Warum werden Einsätze bei Menschen in psychischen Ausnahmesituationen regelmäßig bis hin zum Schusswaffeneinsatz eskaliert?

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen bedauert, dass sich die Medien – mit Ausnahme der taz – bislang damit begnügt haben, die Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden wieder zu geben, anstatt den Sicherheitsbehörden diese und weitere Fragen, die sich förmlich aufdrängen, zu stellen.

Mindestens fünf Menschen mit Fluchtgeschichte starben allein in den vergangenen vier Jahren in Niedersachsen im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen: Aman Alizada im August 2019 im Landkreis Stade, Mamadou Alpha Diallo im Juni 2020 im Landkreis Emsland, Qosay K. im März 2021 in Delmenhorst und Kamal I. im Oktober 2021 im Landkreis Stade. Am Neujahrestag 2023 starb ein Schwarzer im Polizeigewahrsam in Braunschweig.

Mindestens drei dieser Menschen befanden sich – wie auch Lamin –  zum Zeitpunkt ihrer Tötung in einem psychischen Ausnahmezustand – wie die eingesetzten Polizist:innen jeweils wussten. In all diesen drei Fällen haben Menschen die Polizei kontaktiert, um Hilfe für ihre Freunde bzw. Angehörigen zu erhalten. Doch statt der benötigten Hilfe fanden sie den Tod. Auch Lamin Tourays Freundin stellt bitterlich fest, „statt zu helfen, haben sie ihn wie ein Tier im Wald erschossen“ und ergänzt: „Ich wünsche mir nichts als Gerechtigkeit!“

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen erwartet von den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung über die umfassende und lückenlose Aufklärung des tragischen Todes Lamin Tourays hinaus, dass diese endlich alles dafür tun, damit sich derartige Tötungen niemals wiederholen. (Bild von Jan Marcus Trapp auf Pixabay)