Klimawandel: Gemeinsam forschen, um Äthiopiens Ernährung zu sichern

Klimawandel: Gemeinsam forschen, um Äthiopiens Ernährung zu sichernDeutsch-äthiopisches Programm der Universitäten Hohenheim und Hawassa zur Ausbildung ostafrikanischer Wissenschaftler wird um fünf Jahre verlängert: Dürreperioden, gefolgt von Starkregen, die die ausgetrocknete Erde wegspülen – und das wenige, das doch noch auf den Feldern wächst, fressen riesige Heuschreckenschwärme in Sekundenschnelle auf: In Ostafrika trifft der Klimawandel die Menschen extrem hart. Um den Hunger in dieser Region dauerhaft bekämpfen zu können, muss die einheimische Bevölkerung in die Lage versetzt werden ihre Ernährung selbst sicherzustellen. Leistungsfähige Hochschulen und gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte sind der Schlüssel dazu. Ein Pionierprojekt auf diesem Gebiet ist das vom DAAD geförderte deutsch-äthiopische Graduiertenkolleg CLIFOOD der Universitäten Hohenheim in Stuttgart und Hawassa in Äthiopien.

Sein Hauptanliegen ist die gezielte Ausbildung afrikanischer Doktoranden und Postdoktoranden, um den Bedrohungen des Klimawandels für die Ernährungssicherheit in der ostafrikanischen Region zu begegnen. Mit Beginn des Jahres startete CLIFOOD jetzt in eine Verlängerung von fünf Jahren, die mit 2,25 Mio. Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert wird.

Ein Verlust von rund 356.000 Tonnen Getreide, wie Hirse, Mais und Weizen, allein in Äthiopien – so hoch schätzen Fachleute die Folgen einer der schlimmsten Heuschrecken-Plagen in Ostafrika seit Jahrzehnten im Sommer 2020. Sie folgte auf schwere Dürren gepaart mit immer häufiger auftretenden Starkregenereignissen, die große Mengen fruchtbaren Bodens wegspülen und die die Ernährungssicherheit in Äthiopien immer stärker gefährden.

In der Folge dürften dort mehr als eine Million Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein, so eine Abschätzung der äthiopischen Regierung und der Welternährungsorganisation FAO. Besonders betroffen ist die ländliche Bevölkerung, die ca. 80 Prozent der rund 110 Millionen Einwohner des Landes ausmacht. Da die Landwirtschaft zudem das Rückgrat der äthiopischen Wirtschaft ist, können solche extremen Ereignisse die gesamte Volkswirtschaft in eine Krise stürzen.

Der Klimawandel und die damit einhergehenden Wetter-Extreme werden vor diesem Hintergrund zu einer zentralen Herausforderung für das Land. Die wirtschaftliche Entwicklung und die politische Stabilität Äthiopiens hängen nach Einschätzung von Experten in Zukunft nicht zuletzt davon ab, ob es gelingt die richtigen Antworten auf diese Herausforderung zu finden.

Anpassungsstrategien an den Klimawandel in Äthiopien identifizieren

Unterstützung möchte hier das deutsch-äthiopische Graduiertenkolleg mit dem Titel „Climate Change Effects on Food Security (CLIFOOD)” leisten, das die Universität Hohenheim und die Universität Hawassa seit 2016 gemeinsam durchführen und das jetzt in die Verlängerung geht.

„Äthiopien leidet ganz massiv unter dem Klimawandel. Wir wollen mit unserem Wissen und unserem Netzwerk helfen, Anpassungsstrategien für die Landwirtschaft zu identifizieren. Damit wollen wir die Entwicklung vor allem in Äthiopien, aber auch in der ganzen ostafrikanischen Region, fördern“, sagt Prof. Enno Bahrs vom Institut für Landwirtschaftliche Betriebslehre und wissenschaftlicher Leiter des Projektes. „Das kann nur durch gemeinsame Anstrengungen von Wissenschaft, Forschung und Praxis gelingen.“

Pionierprojekt für nachhaltige Entwicklung im Sinn der UN-Agenda 2030

Initiiert wurde CLIFOOD am Food Security Center (FSC) der Universität Hohenheim. Im Fokus stehen die Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) der UN im Hinblick auf Hunger- und Armutsbekämpfung, Ernährungssicherung, Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen, Umweltschutz insgesamt sowie Bildung.

Grundlage ist die Agenda 2030 für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung, die im September 2015 von den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Das in 17 Nachhaltigkeitsziele untergliederte Hauptziel ist weltweit menschenwürdiges Leben zu schaffen.

Dabei legt CLIFOOD Wert auf die Förderung von Partnerschaften auf Augenhöhe. Dieser Aspekt ist Dr. Nicole Schönleber vom Institut für Landwirtschaftliche Betriebslehre besonders wichtig: „Wissensaustausch ist keine Einbahnstraße. Auch unsere Forschenden können viel von unseren afrikanischen Partnern lernen und dies vielleicht auch für die Lösung unserer Probleme nutzen.“

Bilaterales SDG-Graduiertenkolleg

CLIFOOD ist eins von sieben bilateralen SDG-Graduiertenkollegs, die seit 2016 vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) unterstützt werden. Das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanzierte Förderprogramm des DAADs will Entwicklungs- und Schwellenländern dabei helfen die Nachhaltigkeitsziele der UN zu verfolgen sowie leistungsfähige und weltoffene Hochschulen aufzubauen, die wichtige Impulsgeber für eine global und lokal nachhaltige Entwicklung sein können. Ein regionaler Schwerpunkt der Förderung liegt auf Afrika.

Den Grund, warum Hohenheim hierfür die besten Voraussetzungen mitbringt, erklärt Dr. Schönleber: „Zum einen passen unsere Hohenheimer Forschungsthemen sehr gut zum Programm, zum anderen unterhält Hohenheim bereits langjährige Kooperationen mit afrikanischen Partner-Universitäten, unter anderem mit der Universität Hawassa.“

Forschung und Qualifizierung gehören zusammen

Insgesamt wurden bisher 14 Langzeitstipendien im Rahmen von CLIFOOD vergeben. Je sechs Doktorandinnen und Doktoranden an den Universitäten Hohenheim und Hawassa sowie zwei Postdoktoranden forschten während der letzten vier Jahre zu Themen rund um die Klimamodellierung und genaueren saisonalen Wettervorhersagen, zu neuen, anpassungsfähigen Getreidesorten und Hackfrüchten sowie alternativen Anbauprodukten und Bewirtschaftungsstrategien für Landwirte.

Unter anderem erkannten die Nachwuchsforschenden dabei, dass Hackfrüchte wie Kartoffeln und Maniok gut an das veränderte Klima angepasst sind, und entwickelten Vorschläge, wie Landwirte ihre Flächen entsprechend bewirtschaften können. Ein weiteres Forschungsthema war der Einfluss von Wetterphänomenen wie El Niño und der Southern Oscillation (ENSO) auf die Vorhersagbarkeit von Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen oder Unwetter.

Auch in der jetzt gestarteten zweiten Phase des Projektes werden sich sechs Doktoranden in Hohenheim und sieben Doktoranden sowie zwei Postdoktoranden in Hawassa der interdisziplinären Forschung zu Anpassungsstrategien für die Landwirtschaft widmen. Sie beschäftigen sich beispielsweise mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernährung und Gesundheit von Kindern in Äthiopien oder untersuchen welche Möglichkeiten zur Steigerung der Produktivität von Weizen in einem veränderten Klima existieren.

Ein interdisziplinäres Qualifizierungsprogramm vermittelt außerdem Wissen und Methoden aus einer Vielzahl von Disziplinen wie Bodenkunde, Physik, Meteorologie, (Agrar-)Ökologie, Pflanzenwissenschaften, Tierwissenschaften, Agrarökonomie sowie Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften.

Ergänzt werden diese Themen durch zusätzliche Weiterbildungen und Softskill-Seminare zu Themen wie Antragstellung, Projektmanagement, Academic Writing, Kommunikation, Kultur- und Führungskompetenz, welche die Nachwuchswissenschaftler auf ihre weitere Karriere vorbereiten sollen.

Ziel: Nachhaltige Stärkung des Wissenschaftssystems insgesamt

Ein wichtiges Ziel des Projekts ist es, das Wissenschaftssystem in Äthiopien nachhaltig zu stärken. „Deutschland soll nicht nur Geldgeber und Projektverwalter sein. Wir möchten auch die Hochschulverwaltung in internationalen Projekten unterstützen“, sagt Dr. Schönleber.

Neben der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern soll deshalb auch ein maßgeschneidertes eLearning-Konzept erarbeitet und in Hawassa etabliert werden. Profitieren sollen davon nicht nur die Stipendiaten selbst, sondern auch Verwaltungsangestellte und Forschende der Universität.

Geplant ist zudem die Einrichtung eines inter- und transdisziplinären Rechenzentrums in Hawassa, das sich mit der Verbesserung von landwirtschaftlichen Praktiken und der Nutzung von komplexen Satellitendaten für die Erstellung von Klimamodellen einschließlich Wettervorhersagen befassen soll.

HINTERGRUND: CLIFOOD

2016 startete das Graduiertenkolleg „Climate Change Effects on Food Security (CLIFOOD, Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernährungssicherheit)“ der Universitäten Hohenheim in Stuttgart und Hawassa in Äthiopien.

Hauptziel von CLIFOOD ist die Ausbildung afrikanischer Doktoranden und Postdoktoranden, um den Bedrohungen des Klimawandels für die Ernährungssicherheit in der ostafrikanischen Region zu begegnen und einen Beitrag zu leisten die Nachhaltigkeitsziele der UN (Sustainable Development Goals, SDGs) zu erreichen.

In Hohenheim sind dabei Professoren der Fakultäten Agrar- und Naturwissenschaften (Teilprojektleiter u. a. Profes. Thomas Berger, Petra Högy, Joachim Müller, Thilo Streck, Volker Wulfmeyer und PD Frank Rasche) beteiligt, die die Nachwuchswissenschaftler aus Äthiopien bzw. Ostafrika in den Brennpunktthemen des Projekts ausbilden. In der zweiten Phase obliegt die wissenschaftliche Leitung PD. Dr. Frank Rasche, Prof. Dr. Enno Bahrs (UHOH) und Prof. Dr. Tesfaye Abebe (HU).

Am 1. Januar 2021 startete die zweite Förderphase von CLIFOOD, die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit 2,25 Millionen Euro unterstützt wird. (Uni Hohenheim/presseportal.de)