Libysche Küstenwache feuert Schüsse in unmittelbarer Nähe einer Rettungsmannschaft ab

Libysche Küstenwache feuert Schüsse in unmittelbarer Nähe einer Rettungsmannschaft ab
Foto: Claire Juchat / SOS MEDITERRANEE

Das Leben von elf Schiffbrüchigen und der humanitären Teams von SOS MEDITERRANEE und IFRC wurde am Freitagnachmittag, 7. Juli, während eines Rettungseinsatzes auf See erneut in Gefahr gebracht. Die libysche Küstenwache feuerte Schüsse in unmittelbarer Nähe der Rettungsmannschaft ab. Es ist bereits der dritte Vorfall dieser Art in diesem Jahr in einem Kontext zunehmender Unsicherheit im Mittelmeer.

Die Besatzung des Seenotrettungsschiffs Ocean Viking, das von den humanitären Organisationen SOS MEDITERRRANEE und der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) betrieben wird, reagierte auf ein Mayday-Signal eines kleinen Bootes, das in internationalen Gewässern vor der libyschen Küste in Seenot geraten war. Es war der zweite Einsatz des Tages nach einer ersten Rettung von 46 Personen, die ebenfalls in internationalen Gewässern in der libyschen Such- und Rettungsregion stattfand.

Kurz nach der Evakuierung von 11 Schiffbrüchigen auf die Rettungsschnellboote der Ocean Viking näherte sich ein Patrouillenboot der libyschen Küstenwache mit hoher Geschwindigkeit und die Besatzung begann, aus unmittelbarer Nähe Schüsse abzufeuern. Während das Rettungsteam mit den Schiffbrüchigen, darunter eine Frau und fünf unbegleitete Kinder, versuchte, zurück zur Ocean Viking zu gelangen, wurden in weniger als 100 Metern Entfernung mehrere Schüsse von der libyschen Küstenwache abgefeuert.

Obwohl sich alle Schiffbrüchigen und Besatzungsmitglieder an Bord der Ocean Viking in Sicherheit bringen konnten, stehen sie immer noch unter Schock. Einige haben sich aufgrund der gefährlichen Manöver der Küstenwache Verletzungen zugezogen. Giannis, Leiter des Rettungsbootes, das dem libyschen Patrouillenschiff am nächsten war, beschreibt die unmittelbare Gefahr: „Der Effekt des Kielwassers des libyschen Patrouillenboots war so stark, dass ich mir den Rücken verletzte. Während sie auf uns schossen und uns verfolgten, lag die Sicherheit der Geretteten und der Besatzung in den Händen eines bewaffneten Schützen.“

Es war das dritte Mal seit Beginn des Jahres, dass die Besatzung der Ocean Viking einen gefährlichen Zwischenfall mit der libyschen Küstenwache erlebte. Die IFRC und SOS MEDITERRANEE appellieren an alle Regierungen, sicherzustellen, dass humanitäre Helfer*innen lebensrettende Nothilfe auf See leisten können, ohne ihr Leben zu riskieren.

Als zivile Organisation konzentrieren sich SOS Méditerranée darauf, Leben zu retten, versucht, die Lücke in den Rettungskapazitäten im Mittelmeer zu füllen, wobei Menschen immer größeren Risiken ausgesetzt sind. Gleichzeitig steigt die Zahl der Toten und Vermissten an Europas südlicher Grenze weiter an.

„Wir sind äusserst besorgt über die Sicherheitslage auf dem Mittelmeer. Die Zahl der Menschen, die in diesem Jahr auf See verschollen sind, ist verheerend, das schreckliche Schiffsunglück vor der griechischen Küste ist ein aktuelles Beispiel. Gleichzeitig fürchten humanitäre Organisationen, die Menschen in Seenotretten, um ihre Sicherheit. Diese gefährliche Situation kann dazu führen, dass noch mehr Menschen ihr Leben verlieren, obwohl all diese Todesfälle auf See vermeidbar sind,“ sagt Maria Alcazar Castilla, stellvertretende Regionaldirektorin für Europa und Zentralasien bei der IFRC.

Das Jahr 2023 war bisher ein besonders tödliches Jahr: Seit Januar sind 1.728 Menschen bei dem Versuch gestorben, das Mittelmeer zu überqueren, um in Europa Sicherheit und Frieden zu suchen. Es ist die höchste Todeszahl seit 2017 und die Dunkelziffer ist aller Wahrscheinlichkeit nach noch viel höher.

Um weitere Todesfälle zu verhindern, müssen humanitäre Helfer*innen sicher Menschen aus Seenot retten können. (SOS MEDITERRANEE )