Volker Seitz*: Afrika – Kostbares Wasser

Volker Seitz*: Afrika – Kostbares Wasser
Foto: irin

Die einflussreiche Autorin und Frauenrechtlerin Djaili Amadou Amal aus Kamerun hat nach ihrem vielfach ausgezeichneten Roman „ Die ungeduldigen Frauen“, Orlanda, 2022 über die afrikanische Vielehe, soeben ein weiteres mitreißendes Sozialporträt über das abschätzige Verhalten der  reichen Oberschicht in Kamerun gegenüber ihren Angestellten, die mit ihrem sehr bescheidenen Lohn ihre Familie in den Dörfern am Leben halten.

Der Roman “Im Herzen des Sahel“  (wieder bei  Orlanda), ebnet durch seine leichte, aber keineswegs leichthändige Art zu den zwei Welten: die der reichen Städter, die Befehle erteilen und die, die zu gehorchen haben.

Eingangs schreibt Frau Amadou Amal „Diese Geschichte ist eine Fiktion nach wahren Begebenheiten“. In meiner Anwesenheit wurden die Bediensteten in Kamerun zwar nicht als „Dreck, Ungeziefer oder Gesindel bezeichnet“, aber die manchmal tiefe Verachtung und verletzende Behandlung konnte ich auch spüren. Es wird aus der Lebensgeschichte von Djail Amadou Amal deutlich, dass sie die Unterdrückung der Frauen im Norden Kameruns selbst erlebt hat.

Kamerun ist ein korruptes Land, in dem Massen von Armen leben und das entlang ethnischer Zugehörigkeiten, sozialer Schichten und Religionen (besonders im Norden) gespalten ist. Der greise Langzeitherrscher des Landes heißt seit 1982 Paul Biya, weil er immer wieder Wahlen manipulieren lässt. Etwa ein Drittel des Jahres führt er – mit seinem Hofstaat – seine Amtsgeschäfte von dem Genfer Luxushotel Intercontinental aus.

Ein wichtiges Beispiel für den Dünkel: Bei den Wohlhabenden in den Städten ist das Wasser kein seltenes Gut von unschätzbarem Wert wie in den Dörfern. Gerade in ländlichen Regionen sind Wasserstellen oft kilometerweit weg. Trotzdem ist es diesen Eliten oft schlicht egal (oder sie verdrängen das Problem ) , ob sich auf dem Lande die Lebensbedingungen verbessern, wenn Strom und Wasser zu ihnen kommt. Viele Dörfer in Kamerun sind auch nicht an das Stromnetz angeschlossen.

„Hier fließt das Wasser in Strömen. Bei einem Stromausfall übernimmt die Pumpe die Wasserversorgung, ohne dass es überhaupt jemand merken würde … Die Pflanzen werden zweimal täglich gegossen, da ihre Schönheit und Frische für eine echte Konzession unverzichtbar sind. Die Fliesen werden jeden Abend mit Wasser besprenkelt, um sie abzukühlen und sauber zu halten. Wasser ist hier einfach nur Wasser,“ schreibt Djaili Amadou Amal.

Die Autorin spricht hier ein sehr wichtiges Thema an: Der ungleiche Zugang zu Wasser spiegelt den großen Abstand der sogenannten Eliten in Afrika zum Volk wider. Südlich der Sahara haben 24 Prozent der Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser. Die Wasserversorgungs-Systeme und die Abwasserentsorgung sind ineffizient. Wasser ist weltweit, neben Bildung, ein Schlüsselelement für eine bessere Zukunft. Afrika wird enormes wirtschaftliches Potenzial bescheinigt, doch die Trinkwasserknappheit ist ein großes Wachstumshindernis. Nicht das Fehlen von Wasser-Ressourcen, sondern ihre ineffiziente Nutzung, mangelnde Investitionen und Missmanagement sind der Grund für die Knappheit.

Die Wasserversorgung in vielen Ländern, in denen ich gelebt habe, ist mehr oder weniger zufällig. Der größte Teil der Bevölkerung, besonders in den Elendsvierteln der Städte und auf dem Land, muss oft über lange, gefährliche Fußwege Wasser in Eimern heranschleppen. Wer den ganzen Tag damit beschäftigt ist, kilometerweit entfernte Brunnen oder Wasserlöcher anzusteuern, kann nicht viel anderes tun. Die Mechanismen, die bei fehlender Wasserversorgung wirken, sind katastrophal.

600 Millionen der 1,4 Milliarden Menschen in Afrika leben heute in den Städten, 60 % in Armenvierteln ohne ausreichende Wasserversorgung. Die ungestüme und ungeregelte Urbanisierung hat zum Kollaps der oft noch aus der Kolonialzeit stammenden sanitären Infrastruktur geführt. In undichten Leitungen geht Wasser verloren. Werden Anlagen nicht korrekt betrieben, steht alles still. Die Organisation „Gesundes Afrika“ hat ausgerechnet, dass „jede Stunde in Afrika 115 Menschen an Krankheiten sterben, die durch unzureichende Hygienestandards, mangelnde Sanitärversorgung und verunreinigtes Wasser hervorgerufen werden.“ Der Wassermangel führt bei Kindern auch zu hohen Schulabbruchraten.

Regierungen in Afrika müssen umdenken und in sparsames Wasser- und Abfallmanagement investieren. Aber viele afrikanische Regierungen ergreifen nicht einmal einfache Maßnahmen wie die Trennung von Haushalts- und Industrieabwässern. Abwässer werden allesamt in Flüsse geleitet, die städtische Abfallwirtschaft wird nicht modernisiert, es gibt kein zeitgemäßes Recycling.

Keine Art der Infrastruktur-Investition in Afrika würde sich so stark auf die wirtschaftliche Performance auswirken wie ein adäquates Angebot von Trinkwasser. Danach erst kommen Bewässerungsanlagen, Elektrizität oder der Ausbau von Straßen- und Bahnnetzen.

Wasser ist in Afrika genug vorhanden
Derzeit werden nur fünf Prozent der Ressourcen genutzt. Lediglich fünf Prozent des afrikanischen Ackerlands werden bewässert, und weniger als zehn Prozent des Wasserkraftpotenzials fließen in die Stromerzeugung. Dabei fehlen den Regierungen meist nicht die Mittel: es ist schlicht ein Versagen der politisch Verantwortlichen.

In Afrika südlich der Sahara gibt es reichlich Grundwasser. Die britische Hilfsorganisation „WaterAid UK“ kam in zwei Studien zu dem Ergebnis, dass fehlende Investitionen dazu führen, dass das Wasser nicht genutzt oder schlecht gemanaget wird. Im Einklang mit dem British Geological Survey kommt WaterAid zu dem Ergebnis, dass die meisten afrikanischen Länder mindestens fünf Jahre Dürre überleben könnten. Auch ein UN-Bericht für die UNESCO kommt zu dem Ergebnis, dass zu wenig in Ausrüstung und Infrastruktur investiert wird. Es mangle an Institutionen, ausgebildeten Fachleuten und Wissen über die Ressource.

Erhebliche Fehler werden bei der UNO gemacht: Die UNO hat 23 Spezialorganisationen, die sich mit Wasser beschäftigen, und musste eine völlig neue Institution-UN Water schaffen, nur um die Arbeit dieser 23 Organisationen zu koordinieren. Jede ist teilweise verantwortlich, keine trägt volle Verantwortung. Gemein ist ihnen, dass sie viel Personal benötigen. Es müsste eine einheitliche UN Präsenz in den Ländern geben, die ein Programm mit einem Verantwortlichen und einem Haushalt haben.

Zum Schluss ein ermutigendes Beispiel aus der Schweiz: Kleine Organisationen wie Aquapura. Sie sind schnell, effizient und kostengünstig wird bakteriologisch reines Trinkwasser in Togo, Kamerun, Uganda, Kongo, Kenia und Madagaskar selbständig hergestellt. Die Nichtregierungsorganisation konzentriert sich auf kleinere Kommunen, Spitäler, Schulen und z.B. Waisenhäuser. Gruppen, die sie gratis mit Wasseraufbereitungsgeräten versorgen, müssen sich vorab über die Nachhaltigkeit einer solchen Installation Gedanken machen und Verantwortliche für den Betrieb bestimmen. Der sehr wichtige langfristige Kontakt mit den Menschen vor Ort ist sichergestellt.
(*Volker Seitz, Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv, 11. Auflage 2021)