Volker Seitz*: Afrika: Lebenslange Präsidenten – verbreitete Angst vor Strafverfolgung

Volker Seitz*: Afrika: Lebenslange Präsidenten - verbreitete Angst vor Strafverfolgung
Kongos Präsident Sassou Nguesso. Foto: Ingrid Aouane

Wieder hat ein Präsident in Afrika die Verfassung ändern lassen, um an der Macht zu bleiben. Austin-Archange Touadera, Präsident der Zentralafrikanischen Republik, hat die Aufhebung der Begrenzung auf zwei Amtszeiten diese Woche durchgesetzt. Zuvor hatte er den Vorsitzenden des Verfassungsgerichts abgesetzt, weil der versucht hatte, die „Reform“ zu verhindern. Natürlich wurde der demokratische Anschein eines Referendums gewahrt. Angeblich haben 95 Prozent der Teilnehmer am Referendum zugestimmt. Touadera – seit 2016 an der Macht – lässt sich seit 2017 durch Söldner der russischen Wagner Gruppe schützen.

Afrikanische Präsidenten, die ihr Mandat nicht als Auftrag auf Zeit, sondern als Lebensaufgabe betrachten, tun alles, um die Macht ihres Familienclans zu sichern. Die auch von westlichen Wirtschaftsstrukturen verursachte Korruption, die feudal anmutenden Machtstrukturen, die vor allem den eigenen Reichtum maximieren, die bedrückende Bürokratie und die Missachtung des Rechts halte ich für die Grundlage der Misere.

Togo ist Westafrikas letzte Dynastie. 1967 war Gnassingbé Eyadéma nach einem Staatsstreich an die Macht gekommen. Auf den langjährigen Militärdiktator folgte nach seinem Tod 2005 sein Sohn Faure Gnassingbé. Den Passus der Verfassung, dass im Fall des Todes des Staatsoberhauptes der Parlamentspräsident die Amtsgeschäfte übernehme und binnen 60 Tagen Neuwahlen auszuschreiben habe, ließ er vom Parlament einstimmig streichen. Faure Gnassingbé wurde dreimal unter höchst umstrittenen Umständen zum Präsidenten gewählt. Bereits 2015 scheiterte der Versuch der Opposition, die Verfassung zu ändern und die Amtszeit des Präsidenten zu begrenzen.

Der Präsident im zentralafrikanischen Kongo-Brazzaville, General Denis Sassou Nguesso, ist seit 44 Jahren, mit einer Unterbrechung von 5 Jahren, an der Macht. Er betrachtet zum Beispiel die Öleinnahmen als sein Privatvermögen. Seit Ende der 2000er Jahre hat er sein Heimatdorf Oyo ausbauen lassen, das 400 Kilometer von der Hauptstadt entfernt liegt und wo etwa 5.000 Menschen leben. Von Brazzaville führt eine gut asphaltierte Straße nach Oyo. Ein Flugplatz wurde dort angelegt sowie ein Fünfsternehotel, ein Präsidialpalast, ein Sportstadion und viele Luxusvillen für Familienmitglieder. Dieser Präsident fordert gerne von der Weltgemeinschaft mehr Mittel für die Armen in Afrika. Wie in US-Medien zu lesen war, hat Nguesso für eine Woche in einem Hotel in New York 280.000 Dollar ausgegeben – ein Leichtes für einen Präsidenten, der in Frankreich über 18 Anwesen und 112 Bankkonten verfügt. Seit 2008 sind der Präsident und seine Familie Ziel von Ermittlungen der französischen Justiz. Es geht um die Frage, woher das Geld stammt, mit dem die Präsidentenfamilie die 18 Luxusimmobilien in Frankreich gekauft hat. Transparency International, das die Klage eingereicht hat, nennt das Regime von Sassou Nguesso die „Karikatur einer Kleptokratie: ein reicher Staatschef, der ein armes Land regiert“.

Der Präsidentensohn Denis Christel „Kiki“ Sassou Nguesso, früher Vizegeneraldirektor der nationalen Erdölgesellschaft und Geschäftsführer der staatlichen Raffinerie, deren Gewinne an das Netzwerk von Präsident Sassou Nguesso zugunsten einer kleinen einheimischen Minderheit gehen, wurde zum Kabinettsminister ernannt – ein Schritt, der in den afrikanischen Medien Spekulationen über eine dynastische Nachfolge aufkommen ließ. Der 79-jährige Staatschef scheint aber seine Lust an der Macht jedoch noch nicht zu verlieren.

Im benachbarten Gabun ist Ali-Ben Bongo Ondimba, der Sohn von Omar Bongo, der von 1967 bis 2009 regierte, Präsident, während in der Demokratischen Republik Kongo Joseph Kabila 17 Jahre lang herrschte, nachdem er 2001 die Nachfolge seines ermordeten Vaters Laurent-Désiré als Staatsoberhaupt angetreten hatte.

Zahlreiche Luxuskarossen vom Bentley bis zum Lamborghini
Äquatorialguineas Präsident Teodoro Obiang – seit der Ermordung seines Onkels Francisco Macías Nguema, dem ersten Staatschef des Landes, im Jahr 1979 an der Macht – hat bereits seinen Sohn, Teodoro Nguema Obiang Mangue, als Vizepräsidenten eingesetzt, um gegebenenfalls seine Nachfolge anzutreten. Es gibt aber Gerüchte über Palastintrigen unter den Obiangs, wobei einige Familienmitglieder einen alternativen Präsidentensohn, Ölminister Gabriel Mbaga Obiang Lima, bevorzugen sollen.

Das Regime in Äquatorialguinea steht seit vielen Jahren im Blickpunkt einer französischen gerichtlichen Untersuchung, bei der es um den Vorwurf geht, dass Familienvermögen in Frankreich mit den Erträgen aus Korruption gekauft wurde. Vizepräsident Teodoro steht im Zentrum der Ermittlungen. Bereits 2012 führte die Polizei eine Razzia in seiner Luxusresidenz in der Avenue Foch 42 in Paris durch und beschlagnahmte mehrere Autos, darunter zwei Bugatti Veyrons und einen Rolls-Royce Phantom.

Seine Regierung zog vor den Internationalen Gerichtshof und argumentierte, dass die Villa in der Avenue Foch im Wert von 107 Millionen Euro ihre Botschaft in Frankreich und somit durch die diplomatische Immunität vor Beschlagnahmung geschützt sei. 2020 wies das Gericht dieses Argument jedoch zurück. Teodoro selbst wurde schließlich zur Zahlung einer Geldstrafe von 30 Millionen Euro verurteilt. Auch Genfer Behörden hatten rechtliche Schritte gegen Teodoro und zwei weitere Personen wegen Geldwäsche und Misswirtschaft öffentlicher Gelder eingeleitet. Der Fall wurde schließlich im September 2019 durch eine Versteigerung von 25 Luxusfahrzeugen beigelegt, ein Lamborghini Veneno Roadster erzielte 8,2Millionen Schweizer Franken (9,1 Millionen US-Dollar; 6,5 Millionen Pfund Sterling) und ein Koenigsegg One aus blauem und schwarzem Carbon wurde für 4,6 Millionen Schweizer Franken verkauft. Mit sieben Ferraris, zwei weiteren Lamborghinis, fünf Bentleys, einem Maserati, einem Aston Martin und einem McLaren erzielte die Auktion einen Gesamterlös von 23,4 Millionen Schweizer Franken. Etwa die Hälfte wurde von einem deutschen Händler im Auftrag eines ungenannten Kunden gekauft.

Als der tschadische Präsident Idriss Déby am 20. April 2021 starb, hat sich sein Sohn Mahamat, ein Vier-Sterne-Armeegeneral, schnell zum Anführer des interimistisch regierenden Militärrats ernannt. Nachdem der deutsche Botschafter Gordon Fricke – wie auch die Kollegen aus Frankreich, Spanien, der Niederlande – die Einhaltung der Menschenrechte und die Abhaltung regulärer Wahlen angemahnt hatte, wurde er wegen „unhöflicher Haltung“ am 8. April 2023 aufgefordert das Land zu verlassen.

Verbreitete Angst vor Strafverfolgung
In Kamerun wird die Debatte um die Nachfolge des 90-jährigen Paul Biya neu belebt. Als möglicher Nachfolger wird nun der Name Emmanuel Franck Biya genannt, geboren am 21. August 1971 in Yaoundé und ältester Sohn des Staatsoberhauptes. Eine anonyme „Bürgerbewegung“ hat eine Kampagne gestartet, um das Image von Franck Biya zu fördern.

In Uganda gibt es derzeit eine Social-Media-Kampagne, die General Muhoozi Kainerugaba, den Sohn des derzeitigen Staatschefs Yoweri Museveni, als potenziellen Kandidaten der Regierungspartei für die nächste Wahl im Jahr 2026 sieht.

Es ist in Afrika ein häufig anzutreffendes Muster, dass Familienclans ihre Macht auch aus Angst vor Strafverfolgung sichern wollen. Der kamerunische Publizist Yann Gwet (er lebt in Ruanda) schrieb in „Jeune Afrique“ im Februar 2021: Ehemalige Präsidenten würden zu einer Art Aristokratie gehören, deren einzige Legitimation darin bestehe, eines Tages vom souveränen Volk in das höchste Amt gebracht worden zu sein: Präsident eines Tages, Präsident für immer. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, warum afrikanische Präsidenten nach ewiger Immunität streben. Viele sind so schwerer Verbrechen schuldig, dass nur absolute Immunität sie vor der Justiz schützen kann. Einige sprechen sich dafür aus, weil es eine Antwort auf das Problem der lebenslangen Präsidentschaften wäre. Es ist klar, dass einige Staatsoberhäupter, die aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung zögern, ihre Macht abzugeben, eher bereit wären, dies zu tun, wenn sie wüssten, dass sie geschützt sind.

(*Volker Seitz, Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv, 11. Auflage 2021)