Wie Afrikaner den Wettbewerb zwischen Europa und China auf ihrem Kontinent wahrnehmen

Wie Afrikaner den Wettbewerb zwischen Europa und China auf ihrem Kontinent wahrnehmen* Friedrich-Naumann-Stiftung befragt mehr als 1.600 afrikanische Entscheidungsträger zum Wettbewerb zwischen Europa und China in Afrika
* Wichtigste Gründe für Chinas Erfolg in Afrika: Schnelle Entscheidungen, schnelle Umsetzung von Projekten, Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten und weniger Skrupel vor Korruption.
* Europas werteorientiere Politik wird von den Befragten anerkannt, aber oft als paternalistisch wahrgenommen.
* Empfehlung für die Politik: Europa muss seinen Blick auf Afrika verändern: vom Hilfsempfänger zum strategischen Partner und Kontinent der Zukunftschancen

In den vergangenen fünfzehn Jahren hat sich China als bedeutender Partner und Investor in Afrika positioniert. Bei Infrastrukturprojekten und dem Handel mit Rohstoffen hat China Europa als wichtigsten Partner auf dem Kontinent verdrängt. Dieser neue Wettbewerb stellt die europäische Handels-, Investitions-, und Entwicklungspolitik in Afrika auf den Prüfstand. Um die unterschiedlichen Strategien Europas und Chinas und ihre Wahrnehmung in Afrika besser zu verstehen und Empfehlungen für die europäische Afrikapolitik zu entwickeln, hat der Global Partnership Hub der Friedrich-Naumann-Stiftung in Nairobi afrikanische Entscheidungsträger befragt. Die Ergebnisse der vom kenianischen Think Tank IREN (Inter Region Economic Network) durchgeführten Online-Befragung werden in der Studie „The Clash of Systems – African Perception of the European Union and China Engagement“ präsentiert.

„Die afrikanischen Umfrageteilnehmer halten der europäischen Afrikapolitik den Spiegel vor. Sie entlarven unsere paternalistische und romantische Sicht auf Afrika. Dem Glauben Europas an die Überlegenheit der eigenen Werte steht der nüchterne Blick der Afrikaner auf die Leistungen und das Verhalten der beiden Partner gegenüber“, sagt Stefan Schott, Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Ostafrika. „Einfach gesagt: Eine Straße, die nach kurzer Bauzeit durch die Chinesen fertiggestellt wird, ist in der Wahrnehmung der Afrikaner auch ein Wert – und konkreter als manch europäisches Projekt zur Förderung von Demokratie, Menschenrechten oder Nachhaltigkeit.“

Im Vorteil sehen die Umfrageteilnehmer China insbesondere beim Treffen von schnellen Entscheidungen. 75,2 % bewerten China in dieser Hinsicht positiv. Für die Europäische Union sind es nur 55,8%. Auch die zeitige Fertigstellung von Projekten durch China wird von vielen als Stärke eingeschätzt: 81,1 % positive Stimmen gegenüber 69,4 % für die Europäische Union. Ebenso besticht China durch Nicht-Einmischung in die internen Angelegenheiten der afrikanischen Staaten: 64,4% positive Antworten für China stehen 50,1 Prozent für die EU gegenüber. Nach Einschätzung der Teilnehmer hat China gleichzeitig weniger Skrupel beim Einsatz von Korruption. 55,2% glauben, dass China Korruption als Werkzeug einsetzt. Immerhin 32,5% denken das auch von der EU.

Den wahrgenommenen Stärken Chinas stehen viele Aspekte der Zusammenarbeit gegenüber, bei denen die Umfrageteilnehmer die EU im Vorteil sehen. Die Qualität der gelieferten Produkte oder Leistungen (93,5% positive Stimmen für die EU im Vergleich zu 67,9% für China), die Arbeitsbedingungen (70,5% EU vs. 55,7% China), die Beschäftigung von lokalen Arbeitskräften und Schaffung von Jobs für Afrikaner (84,8% EU vs. 71,7% China), die Beachtung von Umweltstandards (82,5% EU vs. 58,5% China) oder die Behandlung von Afrikanern als gleichberechtigte Partner (61,3% EU vs. 51,4% China).

„Zwar schneidet die EU bei den meisten Leistungsindikatoren besser ab, doch gewinnt China in Afrika weiter an Boden. Dieses scheinbare Paradox ist einfach zu erklären: Die Aspekte der Zusammenarbeit, bei denen China führend ist, haben für die afrikanischen Partner eine besonders hohe Relevanz,“ erklärt James Shikwati, Gründer und CEO von IREN. „China setzt auf große, materielle Projekte, während sich Europa in Afrika auf kleinteilige und oft abstraktere Vorhaben konzentriert.“

So ist China führend bei der Realisierung großer Bauvorhaben. Die chinesischen Staatsunternehmen haben die Karte Afrikas neu gezeichnet – mit Schienen, Straßen, Brücken, Häfen, Staudämmen und Wolkenkratzern. Das spiegelt auch die Umfrage unter den afrikanischen Entscheidungsträgern. Die Aussage „China unterstützt die Entwicklung der Infrastruktur in Afrika“ wird von 85,5 Prozent der Teilnehmer unterstützt, für Europa sehen dies nur 64,2 Prozent so.

Um im Wettbewerb mit dem zentralistisch gelenkten China bestehen zu können, hat die EU mit ihren 27 Mitgliedsstaaten und den komplizierten Entscheidungswegen einen strukturellen Nachteil. Die Studie empfiehlt vor diesem Hintergrund, die Entscheidungsprozesse in der EU zu straffen und zu beschleunigen.

Vor allem aber sollten die Europäer ihren überholten paternalistischen Ansatz gegenüber Afrika neu definieren, empfehlen die Autoren der Studie. Afrika sollte nicht länger als Hilfsempfänger wahrgenommen werden, sondern als ein Kontinent der Zukunftschancen.

Die gesamte Studie ist auf der Website der Naumann-Stiftung abrufbar.