Buch-Tipp: Rainer Hackel: „Mein Freund Adomako – eine Erzählung aus Ghana“

Buch-Tipp: Rainer Hackel: „Mein Freund Adomako – eine Erzählung aus Ghana“Um es gleich vorwegzusagen: Rainer Hackels Erzählung aus Ghana „Mein Freund Adomako“ ist eine der bewegendsten und berührendsten Erzählungen aus Afrika, die ich kenne. Es gelingt dem Autor nicht nur, ein überaus lebendiges Bild seines siebzehnjährigen Freundes Adomako zu zeichnen – der Leser taucht auch in eine fremde und zuweilen verstörende Welt ein, in der zum Beispiel Ahnengeister urplötzlich seinen Freund überfallen und von ihm Besitz ergreifen, so dass er nicht mehr er selbst ist.

Hackels Erzählung ist also vor allem eine Erzählung über den Voodoo-Kult in Ghana, der in Westafrika nach wie vor höchst lebendig ist – trotz aller westlichen Einflüsse.

Adomako gehört zur Familie von Hackels Frau, die aus Ghana stammt. Der Autor und Adomako werden Freunde, nachdem der Junge ihm immer wieder einen Bären aufbindet, indem er ihm weismachen will, dass irgendjemand dessen Flasche „Adonko“, einen in Ghana beliebten Kräuterlikör, hinter seinem Rücken geleert hat. Der humorvolle Funken springt über: Die beiden werden Freunde, und Hackel tauft Adomako kurzerhand in Adonko um.

An der Seite seines jungen Freundes erlebt der Autor ein Abenteuer nach dem anderen, die alle authentische Einblicke in das Leben Ghanas gewähren. Am verstörendsten – zumal für westliche Leser – ist zweifellos das schon erwähnte Erscheinen der Ahnengeister. So fällt Adomako in Gegenwart des Autors mehrmals in Trance und wird zum Medium eines Geistes. Die Ahnengeister verfügen nicht allein über ein transzendentes Wissen, sie erteilen auch Ratschläge und geben Anweisungen. Als Adomako Ungeheuerliches über den ehemaligen Fahrer des Autors und seiner Frau offenbart, gefriert den beiden – trotz tropischer Temperaturen – das Blut in den Adern…

Der angehende Fetischpriester fällt aber nicht nur hin und wieder in Trance, er ist auch hilfsbereit. Beim Einkaufen auf einem Markt verletzt er sich seinen linken Daumen, als er den Wagen belädt. Als der Daumen steif bleibt, sucht der Autor mit seinem Freund eine Krankenstation im Nachbardorf auf. In der Wartehalle fällt Hackels Blick sogleich auf eine „bezaubernde Krankenschwester in meerblauer Uniform. Sie saß auf dem Schreibtisch, ließ die Beine baumeln und unterhielt sich angeregt mit ihren Kolleginnen, die sich heiter plaudernd auf ihren Stühlen rekelten. Von Arbeitsatmosphäre keine Spur…“ Schwester Becky, „wie die Bezaubernde vom Doktor gerufen wurde“, entpuppt sich allerdings als resolute rechte Hand des introvertierten Doktors, verpasst sie doch dem ängstlichen Adomako eine Spritze und massiert seinen Daumen, „indem sie ihn erbarmungslos in die Länge zog“, sodass sich der Junge vor unerträglichen Schmerzen windet.

Als auch nach drei Tagen noch Adomakos Daumen steif ist, sucht der Autor mit seinem Freund ein Krankenhaus auf, in dem eine Röntgenaufnahme gemacht wird. An Adomakos Ring erkennt der Arzt und Kirchenälteste sofort, dass ein Fetischpriester vor ihm sitzt und will ihn zum Christentum bekehren. Nicht nur der Doktor, auch Hackel scheint Adomakos steifen Daumen vergessen zu haben, denn der Autor schwingt sich zum beredten Verteidiger seines jungen Freundes und des traditionellen Glaubens auf. Das stärkste Argument, das er dem Arzt gegenüber ins Feld führt, betrifft überraschenderweise den Gymnasiallehrer Hackel selbst und seine Schulleiterin, die ihn jahrelang drangsaliert hatte und sich kürzlich versetzen ließ. Bei einem Treffen mit einem Fetischpriester habe ihn Kokoasa, ein Ahnengeist der Familie, auf die Schulleiterin angesprochen und offenbart, dass er es gewesen war, der die Direktorin dazu bewogen hatte, die Schule zu verlassen. Der Doktor ist sprachlos – wie auch der Leser verblüfft sein wird, denn der Autor hatte niemandem gegenüber den Weggang der Schulleiterin erwähnt. Woher um alles in der Welt wusste Kokoasa davon?

Wie der Doktor zu Hackels Apologie des Voodoo-Kultes Stellung nimmt und ob Adomakos Daumen am Ende geheilt wird – das kann jeder in Hackels mitreißender Erzählung nachlesen. (Ester Awonoor)

Rainer Hackel: „Mein Freund Adomako – Eine Erzählung aus Ghana“, Engelsdorfer Verlag Leipzig 2023. 9,80 Euro