In vielen Familien als „Strafe“ oder „Tragödie“ angesehen: Mädchen mit Behinderung werden in Afrika doppelt diskriminiert

In vielen Familien als „Strafe“ oder „Tragödie“ angesehen: Mädchen mit Behinderung werden in Afrika doppelt diskriminiert
Die 9-jährige Oumou ist Teil des inklusiven Bildungsprogramms von HI. © Pascale Jérôme/HI

Anlässlich des Internationalen Tages der Bildung am 24. Januar ruft die gemeinnützige Organisation Handicap International (HI) dazu auf, diese Ungerechtigkeit und Benachteiligung zu bekämpfen. Eine Untersuchung, die HI in Ländern der Sahelzone durchgeführt hat, zeigt, dass Mädchen mit Behinderung in vielen Familien als „Strafe“ oder „Tragödie“ angesehen werden. Nur wenige dürfen die Schule besuchen. Ein Mädchen zu sein und eine Behinderung zu haben, stellt eine doppelte Diskriminierung dar. So unterstützt Handicap International in Burkina Faso, Mali und Niger diese Kinder, schult Lehrer, klärt auf und stärkt lokale Behindertenorganisationen.

Nach UN-Angaben ist die Analphabetenrate bei Frauen mit Behinderung weltweit dreimal höher als bei Männern. In der Sahelzone ist die Situation besonders gravierend. Nur sehr wenige Mädchen mit Behinderung gehen zur Schule. In Mali können weniger als 18% der Frauen mit Behinderung lesen und schreiben. In Niger und Mali haben mehr als die Hälfte der Mädchen, die die Grundschule besuchen, keinen Zugang zu einer weiterführenden Schule. In Burkina Faso hat nur 1% der Mädchen eine weiterführende Schule abgeschlossen.

Vorurteile und Aberglaube gegenüber Behinderungen
In ihrer Studie berichten die Expert*innen von Handicap International, dass ein Kind mit Behinderung von vielen Familien als „Tragödie“ oder „Strafe“ angesehen wird: Das Kind wird schlechter behandelt, bekommt weniger zu essen und wird weniger umsorgt. Es wird versteckt und weggesperrt, weil die Familie sich schämt. Manche denken, dass eine Behinderung ansteckend ist. Einige glauben sogar, dass Menschen mit Behinderung magische Eigenschaften haben. Mädchen mit geistiger Behinderung sind besonders gefährdet, sexuellen Missbrauch und Gewalt zu erleiden, da der Aberglaube herrscht, dass Sex mit ihnen Reichtum und Macht bringt oder von Aids heilt.

Die Bevorzugung der Jungen
Ein Junge gilt als der zukünftige Verantwortliche für das Einkommen der Familie. Er wird zur Schule geschickt und hat bessere Chancen auf einen bezahlten Job. Ein Mädchen wird eher auf häusliche Tätigkeiten beschränkt. Sie in die Schule zu schicken, wird als nutzlos angesehen. Kinder mit Behinderung werden sehr oft als zusätzliche Belastung für die Familie betrachtet, Mädchen mit Behinderung gar als Zumutung. Viele müssen betteln gehen, um zum Familieneinkommen beizutragen.

Erfolgreiche Inklusion
Insgesamt setzt Handicap International in 27 Ländern 52 Inklusionsprojekte um. So unterstützen unsere Teams in Burkina Faso, Mali und Niger beispielsweise Kinder mit Seh- oder Hörbeeinträchtigung. Dabei ist es wichtig, zuerst die Bedürfnisse der einzelnen Kinder zu ermitteln. Unsere Teams achten darauf, dass die Kinder in die Schule gehen dürfen und die Familien miteinbezogen werden. Wir schulen und sensibilisieren zahlreiche Interessenvertreter*innen, die sich für Menschen mit Behinderung und für eine inklusive Ausbildung einsetzen. Wir statten Schulen mit pädagogischen Materialien aus, die speziell auf die Bedürfnisse der Kinder zugeschnitten sind. Wir bilden Lehrer und Lehrerinnen zum Beispiel in Gebärdensprache oder Brailleschrift aus und motivieren sie, sich um diese Kinder zu kümmern. Wir fördern Initiativen, die sich für die Grundrechte von Kindern mit Behinderung einsetzen.

Stolze Mutter
Mariam, Mutter von Oumou aus Mali, die von HI eine Prothese bekommen hat und seitdem in die Schule gehen darf: „Mein Mann und ich sind sehr stolz auf unsere Tochter. Wir werden andere Eltern von Kindern mit Behinderung aufklären, damit sie verstehen, dass eine Behinderung keine lebenslange Verurteilung ist und dass auch sie das Recht haben, wie alle anderen Kinder zur Schule zu gehen.“ (Handicap International)