
Interview mit Frau Michael (Foto), Verlegerin vom Orlanda Verlag Leipzig, auf der Buchmesse in Leipzig 2025.
Welche Schwerpunkte setzen Sie mit Ihrem Verlag?
Frauen, Weltkultur, Bewegung sind seit unserer Gründung 2017 unsere Leitmotive.
Die Migration in der Welt zum Thema machen, aus Innensichten zu zeigen, realen Erfahrungen und Erlebnissen eine Stimme zu geben, ist uns sehr wichtig. Dazu gehören Belletristik, Sachbücher, Kinderbücher. Mit unseren Büchern können Sie reisen und so die Welt erleben. Unser Programm ist eine Einladung an alle, neue Lebenswelten kennenzulernen.
Der Verlag will dem Diskurs für eine gerechtere Weiterentwicklung unserer Gesellschaft und der Welt ohne Vorurteile und vorgefertigte Meinungen eine Bühne geben.
Solidarität und Verständigung sind wesentliche Grundsätze. Feminismus, Literatur aus Afrika und der Welt, schwarze Perspektiven, hier bei uns, Flucht und Exil sind für uns relevante zentrale Themen.
Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihr Verlagsprogramm aus?
Wir suchen Titel aus, die dem Fokus des Verlags entsprechen. Perspektiven und Stimmen, die jenseits des Mainstreams sind.
Seit 2021 veröffentlichen wir auch Kinderbücher, Übersetzungen und Originalausgaben. Zum Beispiel „Wir alle im Stadtgewimmel“, ein Wimmelbilderbuch, das die Vielfalt unserer Gesellschaft sichtbar macht. Dieses Buch bietet die Möglichkeit, auf den Spuren der Hauptfiguren in das Leben einzutauchen, das Besondere jedes Einzelnen zu entdecken und das Wir nicht zu vergessen.
Wie treffen Sie die Auswahl der afrikanischen Autoren:innen?
Wir sehen uns unter anderem Literaturpreise für Bücher des afrikanischen Kontinents (z.B. Prix Orange du livre de l’Afrique) an. Wir sind im Kontakt mit internationalen Literaturagenturen, die uns Titel vorstellen und empfehlen. Manchmal melden sich aber auch Autor:innen direkt bei uns. Wir halten die Augen offen und wählen dann sehr gezielt aus.
Wie können Sie verstärktes Interesse für afrikanische Literatur wecken?Menschen und ihren Lebensrealitäten ein Gesicht und eine Stimme zu geben, sind wesentliche Momente, um Aufmerksamkeit für Literatur zu entfachen. Wir wollen Neugier wecken, Offenheit für Neues und Lebensrealitäten auf dem afrikanischen Kontinent schaffen.
Gerade haben wir den neuen Roman des eritreisch-äthopisch-britischen Autors Sulaiman Addonia „Die Sehenden“ veröffentlicht, wie den Roman der gabunischen Autorin Charline Effah „Die Frauen von Bidi Bidi“. Beides starke literarischen Texte und wichtige Perspektiven auf Flucht und Einwanderung, aber auch auf die Stärke und Resilienz von Frauen, jeweils auf ganz unterschiedliche Weise. Diese Romane setzen einen wichtigen Gegenpol zu den aktuell sehr populistisch geführten Debatten über Migration in Deutschland.
Bei Sulaiman Addonia ist es bereits der zweite Roman in unserem Programm. Er schildert darin die Erlebnisse der minderjährigen Geflüchteten Hannah in London und zeigt eindrücklich, wie jungen Menschen zwischen den Mühlen der Bürokratie zerrieben werden. Aber Hannah kämpft, um ihre Selbstbestimmung und ihre Identität. Und ein würdiges Leben. Sulaiman Addonia, der selbst als unbegleiteter minderjähriger nach London gekommen ist, hat hier sicherlich auch eigene Erlebnisse verarbeitet. Er hat neulich in einem Interview gesagt, dass er sich lange gefragt hat, ob er mit seiner Biografie überhaupt das Recht hat, Autor zu werden. Ich kann nur sagen, ja und glücklicherweise hat er es gewagt. Seine Texte bereichern die Weltliteratur und er hat noch eine große Zukunft vor sich. Da bin ich mir sicher!
Ich danke Ihnen für unser Gespräch (Theresa Endres)