PRO ASYL: Sieg vor dem Bundesverwaltungsgericht für Geflüchteten aus Eritrea

PRO ASYL: Sieg vor dem Bundesverwaltungsgericht für Geflüchteten aus EritreaPRO ASYL begrüßt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das heute entschieden hat, dass die Abgabe einer Reueerklärung für Geflüchtete unzumutbar ist. Rechtsexperte Peter von Auer spricht von einem wegweisenden Urteil.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Abgabe einer sogenannten Reueerklärung unzumutbar ist. „Einem subsidiär schutzberechtigten Ausländer darf die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer nicht mit der Begründung verweigert werden, er könne einen Pass seines Herkunftsstaates auf zumutbare Weise erlangen, wenn der Herkunftsstaat die Ausstellung eines Passes an die Unterzeichnung einer „Reueerklärung“ knüpft, die mit der Selbstbezichtigung einer Straftat verbunden ist, und der Ausländer plausibel darlegt, dass er die Erklärung nicht abgeben will“, urteilte das Gericht.

„Es ist ein wegweisendes Urteil, das klar macht: Wer der eritreischen Diktatur entkommen ist und hier Schutz findet, darf nicht von deutschen Behörden dazu genötigt werden, sich für die Inanspruchnahme konsularischer Dienstleistungen wie die Beschaffung eines Nationalpasses an sein Herkunftsland zu wenden und diesem gegenüber zu erklären, dass er mit einer Bestrafung für die Flucht aus dem mörderischen Nationaldienst und aus dem Land einverstanden ist“, erklärt Peter von Auer, Rechtsexperte bei PRO ASYL. Die Menschenrechtsorganisation hat das Gerichtsverfahren finanziell bezuschusst.

Geflüchtete Männer und Frauen aus Eritrea standen bislang vor dem Problem, dass deutsche Behörden sie aufforderten, sich an die eritreische Botschaft zu wenden, um dort Dokumente zu erhalten, die die deutschen Behörden verlangten. Das trifft beispielsweise auf einen Familienvater zu, der seine Frau und Kinder nachholen möchte, ebenso wie auf eine subsidiär Geschützte, die von den Ausländerbehörden aufgefordert wird, zur Passbeschaffung bei der eritreischen Botschaft vorzusprechen. Dort mussten sie dann eine Reueerklärung abgeben, in der sie ihre Flucht und die „Nichterfüllung nationaler Verpflichtungen“ angeblich bereuen „Mit dem heutigen Urteil ist endlich  Schluss damit, dass Geflüchtete sich zur Passbeschaffung an den Staat wenden müssen, der sie in vielen Fällen verfolgt und gequält hat“, sagt Peter von Auer. „Die Bundesregierung muss auch darüber hinaus eine klare Abgrenzung zum diktatorischen Regime Eritreas finden. Deshalb sollten deutsche Behörden künftig auch darauf verzichten, von Eritreer*innen die Dokumentenbeschaffung zu verlangen, wenn diese an die Zahlung der sogenannten Diasporasteuer geknüpft ist, also einer erzwungenen finanziellen Unterstützung des eritreischen Regimes“, fordert er.

Hintergrund
Der Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gewährte ihm subsidiären Schutz, weil ihm aufgrund seiner illegalen Ausreise aus Eritrea bei einer Rückkehr eine Inhaftierung drohe, die mit Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verbunden sei. Die Ausländerbehörde lehnte seinen Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer ab, weil es dem Kläger zuzumuten sei, bei der Botschaft Eritreas einen Passantrag zu stellen. Die darauf erhobene Verpflichtungsklage hatte in erster Instanz Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises seien nicht erfüllt. Anders als Flüchtlingen sei es subsidiär Schutzberechtigten grundsätzlich zumutbar, sich bei der Auslandsvertretung ihres Herkunftsstaates um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Zumutbar sei auch die vom eritreischen Konsulat verlangte Abgabe einer „Reueerklärung“ , in der der Erklärende bedauere, seiner nationalen Pflicht nicht nachgekommen zu sein, und erkläre, auch eine eventuell dafür verhängte Strafe zu akzeptieren.

Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat heute die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts geändert und das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Der Kläger kann die Ausstellung eines Reiseausweises beanspruchen, weil er einen eritreischen Pass nicht zumutbar erlangen kann und auch die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die in der Reueerklärung enthaltene Selbstbezichtigung einer Straftat darf ihm gegen seinen plausibel bekundeten Willen auch dann nicht abverlangt werden, wenn sich – wie vom Berufungsgericht festgestellt – die Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung dadurch nicht erhöht. (PM Pro Asyl)