Rückführungen von Flüchtlingen nach Libyen durch die so genannte libysche Küstenwache sollen nach Auffassung des Auswärtigen Amts auch künftig im Mittelmeer stattfinden dürfen. Damit vollzieht Außenministerin Annalena Baerbock einen Kurswechsel. Vor ihrem Amtsantritt hatte die grüne Politikerin die Verabredungen mit der libyschen Küstenwache wiederholt als völkerrechtswidrig kritisiert.
In einer Stellungnahme gegenüber dem WDR-Magazin MONITOR bezeichnet das Auswärtige Amt weite Teile des Mittelmeers jetzt als „Verantwortungsbereich Libyens“. Ausdrücklich sei damit die so genannte „Such- und Rettungszone“ umfasst, die bis weit vor die europäischen Küsten reicht.
Damit ist Libyen nach Ansicht der Bundesregierung auch weiterhin für Rückführungen der Bootsflüchtlinge zuständig. Dies widerspricht der Haltung Baerbocks und der Grünen in Oppositionszeiten. „Wer auf Rückweisung auf hoher See setzt, Menschen an die libysche Küstenwache überführt, der bricht mit dem Völkerrecht“ hatte Baerbock damals kritisiert. Auch im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition ist von einem Kurswechsel der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik die Rede. „Wir wollen die illegalen Zurückweisungen … an den Außengrenzen beenden“, heißt es dort.
Felix Weiss von der Rettungsorganisation Sea-Watch kritisiert die Bundesregierung scharf. „Die Versprechen seitens der neuen Bundesregierung lassen sich lediglich als Lippenbekenntnisse beschreiben. Das ist schon beschämend, man verfolgt hier lediglich eine Politik, die die letzten 16 Jahre auch in Deutschland schon verfolgt wurde.“
Kritik am Kurswechsel der Außenministerin kommt auch aus der Bundestagsfraktion der Grünen. „Die Bundesregierung weiß von der dramatischen Situation, für die die libysche Küstenwache verantwortlich ist“, sagt Max Lucks, grüner Bundestagsabgeordneter und Obmann im Ausschuss Menschenrechte. „Deshalb erwarte ich auch von der Bundesregierung, dass sie sich klar und in verschiedenen Formaten auch dafür einsetzt, dass die Kooperation mit der libyschen Küstenwache so, wie sie bisher geschehen ist, nicht vorangetrieben wird.“
Rückführungen in Länder, in denen Geflüchteten schwere Menschenrechtsverletzungen drohen, gelten unter Völkerrechtlern als völkerrechtswidrig. Ein aktueller UN-Bericht von Ende Juni dokumentiert erneut schwerste Verbrechen in den libyschen Haftlagern, in denen die Flüchtlinge landen. Demnach komme es in den staatlichen Haftlagern zu „Mord, Verschwindenlassen, Folter, Versklavung, sexueller Gewalt und Vergewaltigung“. Nidal Jurdi, der Chef der UN-Fact-Finding-Mission fordert Konsequenzen: „Jeder Staat oder jede Gruppe von Staaten, die die Institutionen unterstützen, die im Moment an weit verbreiteten oder systematischen Angriffen auf Migranten beteiligt sind, unterstützen die Täter. Dies sollte geändert werden.“
Der Bundesregierung sind die Zustände in den Libyschen Haftlagern bekannt. Sie „sind zum Teil menschenunwürdig und besorgniserregend „ heißt es auf die MONITOR-Anfrage. Die Bundesregierung setze sich für eine „sofortige Verbesserung der Zustände in den sog. ‚Detention Centern‘ ein“. (WDR)