
Eine wachsende Zahl von Migrantinnen und Migranten in Deutschland zieht in Erwägung, das Land zu verlassen – aus Unzufriedenheit mit der Politik, wegen hoher Steuern, übermäßiger Bürokratie und persönlicher Präferenzen. Das ist das zentrale Ergebnis einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Bedenken hinsichtlich der langfristigen Bindung ausländischer Fachkräfte aufwirft – Fachkräfte, die für den deutschen Arbeitsmarkt von großer Bedeutung sind.
Die kürzlich veröffentlichte Studie zeigt: Zwar beabsichtigen 57 % der Befragten, dauerhaft in Deutschland zu bleiben, doch mehr als ein Viertel (26 %) hat im vergangenen Jahr darüber nachgedacht, Deutschland zu verlassen. Weitere 12 % gaben an, sich nur vorübergehend in Deutschland aufzuhalten, während 3 % bereits konkrete Pläne zur Rückkehr in ihr Herkunftsland oder für einen Umzug in ein anderes Land haben. 13 % sind noch unentschlossen, wie ihre Zukunft in Deutschland aussehen soll.
Für die groß angelegte Untersuchung wurden 50.000 Menschen im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt – alle im Ausland geboren und mittlerweile in Deutschland lebend. Als häufige Gründe für Auswanderungsgedanken nannten die Befragten politische Frustration, Unzufriedenheit mit dem Steuersystem sowie die Belastung durch bürokratische Prozesse. Laut IAB-Forscherin Yuliya Kosyakova legen diese Ergebnisse nahe, dass staatliche Reformen – etwa durch den Abbau administrativer Hürden und steuerlicher Entlastungen – zur stärkeren Bindung von Migrantinnen und Migranten beitragen könnten.
Neben wirtschaftlichen und politischen Aspekten spielt auch soziale Inklusion eine entscheidende Rolle. Die IAB-Forscherin Katia Gallegos Torres betonte, dass Zugehörigkeitsgefühl, emotionale Verbundenheit mit Deutschland und weniger Diskriminierungserfahrungen entscheidend dafür sind, ob Menschen einen Verbleib in Deutschland in Erwägung ziehen oder nicht.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, bezeichnete die Studienergebnisse als „Weckruf“ und rief zu verstärkten Bemühungen für ein offenes und einladendes gesellschaftliches Klima auf. „Wir müssen dafür sorgen, dass sich jede Person, die Deutschland zu ihrer neuen Heimat macht, wertgeschätzt und unterstützt fühlt – sozial, wirtschaftlich und emotional“, sagte sie.
Auch zivilgesellschaftliche Akteure sehen Handlungsbedarf. Tareq Alaows von der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl betonte, dass Diskriminierungserfahrungen – insbesondere bei Geflüchteten – zu Entfremdung führen. „Wir können nicht erwarten, dass Menschen dort bleiben, wo sie sich nicht sicher oder respektiert fühlen“, sagte er und forderte stärkere Antidiskriminierungspolitik sowie einen inklusiveren öffentlichen Diskurs.
Unterdessen fordern mehrere Abgeordnete der Grünen und der SPD konkrete politische Reformen. Die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat erklärte, dass der Abbau von Bürokratie sowie ein leichterer Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und zum Arbeitsmarkt entscheidend für eine langfristige Integration seien. „Integration bedeutet nicht nur gute Arbeitsmarktstatistiken – sie betrifft das tatsächliche Leben der Menschen“, so Polat.
Angesichts der verstärkten Anwerbung von Fachkräften im Ausland sendet diese Studie eine klare Botschaft: Talente anzuziehen ist nur der erste Schritt – entscheidend ist, eine inklusive Umgebung zu schaffen, in der sich Menschen willkommen und wertgeschätzt fühlen. (Quelle: African Courier)