Witwenkooperative Kenia: „Wir kämpfen für unser Land!“ – Ein Seminar und ein Fallbeispiel

Witwenkooperative Kenia: „Wir kämpfen für unser Land!“ - Ein Seminar und ein Fallbeispiel
Agneta glücklich mit ihrem Land

Januar 2025: Die Versammlungshalle im Witwendorf Nyabondo/Kenia ist erfüllt von Emotionen, als rund 500 Witwen jeden Alters zusammenkommen, um sich über das Thema „Landrecht“ zu informieren und ihre Rechte einzufordern. Das etwa dreistündige Seminar zur Wiedererlangung der Landrechte, welches wiederholt von Dentists for Africa finanziell unterstützt wird, ist nicht nur ein Ort der Information, sondern ein Raum der Ermutigung und Hoffnung.

Gleich fünf engagierte TrainerInnen der lokalen Organisation „Community in Action“ sind vor Ort, um die Witwen zu informieren, sie zu bestärken, ihre Rechte einzufordern und ihnen Wege aufzuzeigen, wie es mit Unterstützung gelingen kann, ihr Land zurückzubekommen. Bisher haben in den vergangenen Jahren etwa 60 Witwen der Kooperative auf diese Weise ihr Land tatsächlich wiedererlangt. Doch der Weg ist hart und steinig. „Wer hat nach dem Tod des Mannes Probleme seine Rechte am eigenen Land durchzusetzen?“, fragt Trainerin Emely Odhiambo zu Beginn. Sofort schnellen unzählige Hände in die Höhe. Einzeln stehen etwa 15 Frauen in der nächsten halben Stunde nacheinander auf und tragen – oft voller Emotionen – ihre Geschichten vor.

Vertreibung der Witwen und Ungerechtigkeiten sind an der Tagesordnung
„Meine Schwiegermutter will mir das Land wegnehmen und es den Brüdern meines verstorbenen Mannes geben“, erklärte eine der Teilnehmerinnen mit bebender Stimme. „Mein Nachbar hat einfach mein Land bepflanzt und die Grenze verschoben und mich verprügelt, als ich ihn darauf aufmerksam machte“, erzählt eine andere mit wütenden Gesten. Ihre Geschichten sind keine Einzelfälle: Viele Witwen berichteten von Ungerechtigkeiten, die sie nach dem Tod ihres Mannes erleiden mussten. Land, das ihnen als Lebensgrundlage dient, auf dem ihre Häuser stehen, wurde ohne ihre Zustimmung verkauft, Grenzen verschoben, oder sie wurden durch die Schwiegerfamilie schlicht vertrieben.

„Title Deed“ (Besitzurkunde) als Mittel
Eine Teilnehmerin erzählt unter Tränen, wie sie ihren Schwager jahrelang versorgte, nur um dann zu erleben, dass dieser ihr gesamtes Land an sich riss. Eine andere Witwe berichtet, dass ihr Mann das Land vor seinem Tod verkauft hatte, um die Schulgebühren für die Kinder zu bezahlen, und sie nach seinem Tod mit nichts zurückblieb. Diese Geschichten sind nur ein Ausschnitt der harten Realität, in der Landbesitz in Kenia oft ausschließlich Männern vorbehalten ist. Offiziell sieht das kenianische Recht zwar vor, dass nach dem Tod des Ehemannes die Ehefrau und die Kinder – wie in Deutschland auch – das Land erben. In der Realität geht es jedoch oft anders zu und die Frauen haben größte Schwierigkeiten, ihre Rechte durchzusetzen. Eine rechtmäßig auf ihren Namen ausgestellte Besitzurkunde des Grundstücks, der sogenannte „Title Deed“, ist dabei das einzige wirkungsvolle Mittel. Ihr Land ist für die Witwen nicht nur Wohnort, sondern auch Ernährungs- und Existenzgrundlage – bauen sie doch hier Obst und Gemüse zum eigenen Verbrauch und dem Verkauf an.

Unterstützung auf dem Weg zum rechtmäßigen Besitz
Das Seminar bietet den Witwen nicht nur wertvolle Informationen über Erbrecht, das Verfassen eines Testaments und die Beschaffung von wichtigen Dokumenten wie dem „Title Deed“, sondern zeigt auch Lösungen auf: Kontakte zu Anwälten, Hilfestellungen bei rechtlichen Prozessen und Unterstützung durch die Diözese und engagierte Offizielle.

„Dieses Seminar hat mein Leben verändert. Zum ersten Mal fühle ich mich stark genug, für meine Rechte zu kämpfen“, berichtet eine Teilnehmerin am Ende der Veranstaltung. Viele Frauen gehen mit neuer Entschlossenheit und konkreten Schritten nach Hause. Ein nächstes Seminar ist bereits in Planung, um die Witwen auf ihrem Weg zu begleiten.

Die Reise ist noch lang: Nur ein Prozent der Landtitel in Kenia gehören ausschließlich Frauen. Doch jeder Schritt zählt, um die soziale und wirtschaftliche Stellung der Witwen zu verbessern. 

FALLBEISPIEL: „Ich kenne mein Recht und ich will mein Recht!“ – Agnetas Geschichte

Agneta trägt den schweren Sack mit Lebensmitteln auf dem Kopf, während sie den steilen Pfad hinab ins Tal geht. Drei Kilometer sind es vom Markt bis zu ihrem Zuhause am Fluss Sondu in Westkenia. Hier lebt die 50-jährige Mutter von sieben Töchtern und einem Sohn. Ihr Alltag ist hart, doch der kämpferische Weg, ihr Landrecht zurückzuerlangen, war noch viel beschwerlicher.

„Mein Mann war Schuhmacher“, erzählt Agneta. „Doch durch eine Krankheit verlor er ein Bein. In unserer bergigen Heimat konnte er sich kaum noch fortbewegen. Wir zogen nach Nairobi. Dort starb er 2010. Ich wollte zurück nach Hause, auf unser Land.“ Doch bei ihrer Rückkehr stellte Agneta fest, dass der Nachbar – ein Cousin ihres Mannes – das Grundstück beanspruchte. Einige Bäume waren gefällt, das Land wurde fremd genutzt. Gespräche fruchteten nicht. „Sie sagten, ich hätte kein Recht mehr, jetzt, wo mein Mann tot sei“, sagt Agneta. Als sie selbst anbaute, ließen die Nachbarn ihre Tiere auf die von ihr bestellten Felder. „Die gesamte Ernte war zerstört – Einkommen, das ich benötige, um das Schulgeld der Kinder zu bezahlen, war weg.“. Eine Anzeige bei der Polizei führte ins Leere. Der Konflikt eskalierte. Eines Tages wurde Agneta verprügelt. „Ich blutete, meine Zähne waren herausgeschlagen. Ich schleppte mich ins Krankenhaus nach Nyabondo und wurde behandelt. Anschließend erstattete ich erneut Anzeige.“

In der Witwenkooperative St. Monica Village fand Agneta Halt. Ein Seminar zur Aufklärung über Landrechte, gefördert von Dentists for Africa, zeigte ihr die nächsten Schritte. „Das hat mich bestärkt. Ich ging wieder zur Polizei, um die Fremdnutzung meines Landes anzuzeigen – aber der Polizist lachte mich aus. Doch ich gab nicht auf. Ich weinte, schrie, warf mich sogar auf den Boden. Ich kenne mein Recht! Ich will mein Recht!“, erzählt Agneta mit wilden Gesten. Das half: Als er erkannte, dass Agneta sich an die nächsthöhere Behörde wenden würde, nahm er ihre Anzeige auf und ihr Fall erhielt eine offizielle Nummer. Auf ihrem Weg unterstützte sie die Organisation FIDA („Federation of Women Lawyers“) mit rechtlichem Beistand. Vermesser kamen, das Land wurde abgesteckt. „Seitdem lassen die Nachbarn mich in Ruhe. Doch sicher bin ich erst, wenn ich die Urkunde in den Händen halte.“

„Agneta ist unser Vorbild,“ sagt Pamela Obora, die Vorsitzende der Kooperative. „Ihre Geschichte ermutigt viele Witwen.“ Agneta erinnert sich an die Worte ihres Mannes: „Du bist mein zweiter Fuß – also stehe ich. Und ich werde stehen, bis ich mein Recht habe.“ (Dentists for Africa)