
Seit über einem Jahrzehnt verfolgt Äquatorialguinea ein ehrgeiziges Projekt: Die Verlegung seiner Hauptstadt von der Insel Malabo auf das Festland, in die neu errichtete Stadt Ciudad de la Paz. Zwischen modernistischer Vision, wirtschaftlichen Herausforderungen, Misswirtschaft und Korruption symbolisiert dieser Umzug sowohl die Ambitionen als auch die Widersprüche dieses kleinen, ölreichen Landes in Zentralafrika.
Malabo – eine isolierte Hauptstadt
Die derzeitige Hauptstadt Malabo stammt noch aus der spanischen Kolonialzeit und leidet unter einer geografischen Isolation. Die auf der Insel Bioko gelegene Stadt ist nur per Schiff oder Flugzeug erreichbar, was den Warenverkehr und die Mobilität der Bevölkerung erheblich erschwert.
Ciudad de la Paz – strategisch auf dem Festland gelegen
Im Gegensatz dazu bietet der neue Standort Ciudad de la Paz (ehemals Oyala) strategische Vorteile. Er liegt auf dem zentralen Hochplateau des Río Muni, dem Festlandteil des Landes, in der Nähe des Flughafens Mengomeyén sowie der Städte Bata und Mongomo. Diese zentrale Lage soll das Landesinnere besser erschließen und für ein ausgewogeneres demografisches und wirtschaftliches Gleichgewicht sorgen.
Ein gigantisches Bauvorhaben
Die Idee, Malabo zu entlasten und gleichzeitig die Wirtschaft des Festlands zu fördern, entstand bereits in den 2000er-Jahren. Der offizielle Startschuss für den Bau fiel 2015 unter Präsident Teodoro Obiang Nguema Mbasogo. Das Projekt ist Teil einer größeren Strategie zur Modernisierung und wirtschaftlichen Diversifizierung des Landes, das stark von Öleinnahmen abhängt.
Das Vorhaben ist ambitioniert: Geplant ist der Bau einer modernen Metropole für 200.000 Einwohner, in der alle Regierungsinstitutionen – Präsidentenpalast, Parlament, Ministerien und zentrale Verwaltungen – ihren Sitz haben sollen. 2017 wurde die Stadt in „Ciudad de la Paz“ (Stadt des Friedens) umbenannt – ein symbolträchtiger Name, der den Wunsch nach Stabilität und Harmonie widerspiegelt.
Beeindruckende, aber unvollständige Infrastruktur
Einige zentrale Einrichtungen sind bereits fertiggestellt, was das Ausmaß des Projekts verdeutlicht. Bereits 2013 wurden ein Golfplatz, ein Luxushotel mit 380 Zimmern, ein Konferenzzentrum sowie Wellnessanlagen eröffnet. Eine sechsspurige Autobahn, die die neue Hauptstadt mit dem Flughafen Mengomeyén verbindet, ist nahezu fertiggestellt. Auch die Afro-Amerikanische Universität Zentralafrikas hat kürzlich ihren Campus eröffnet.
Dennoch sind viele Teile der Stadt noch Baustelle. Regierungsgebäude, das Finanzviertel und Wohngebiete befinden sich noch im Bau, was in manchen Bereichen den Eindruck einer Geisterstadt hinterlässt. Diese Verzögerungen werfen Fragen über den tatsächlichen Zeitplan dieses Mammutprojekts auf.
Eine enorme finanzielle Belastung
Die Finanzierung des Megaprojekts erfolgt größtenteils über Öleinnahmen. 2016 verschlang der Bau von Ciudad de la Paz fast die Hälfte des Staatshaushalts – und das zu einer Zeit, als die weltweiten Ölpreise drastisch sanken.
Internationale Unternehmen, darunter portugiesische wie FAT (Future Architecture Thinking) und chinesische Firmen, sind an dem Projekt beteiligt. Allerdings stehen diese Partnerschaften oft wegen mangelnder Transparenz in der Kritik. Äquatorialguinea gilt als eines der korruptesten Länder der Welt.
Das Projekt steht vor drei zentralen Problemen:
- Finanzielle Abhängigkeit: Die starke Abhängigkeit von den schwankenden Ölpreisen gefährdet die Finanzierung und führt zu Verzögerungen.
- Fehlende Bevölkerung: Aufgrund mangelnder wirtschaftlicher Perspektiven außerhalb des öffentlichen Sektors gelingt es der Stadt kaum, Einwohner oder private Investoren anzuziehen – das Bild einer „Geisterstadt“ verstärkt sich.
- Politischer Widerstand: Die Opposition kritisiert die „ökologisch-kulturelle Verschwendung“ öffentlicher Gelder. Ihrer Meinung nach sollten ländliche Entwicklung und wirtschaftliche Diversifizierung Vorrang vor einem gigantischen Städtebauprojekt haben.
Ein ehrgeiziger Zeitplan
Trotz aller Schwierigkeiten hält die Regierung an ihrem Ziel fest, den Umzug der Hauptstadt noch vor Ende des Jahrzehnts abzuschließen. Ciudad de la Paz soll sich zu einem dynamischen Verwaltungs-, Bildungs- und Handelszentrum entwickeln, das den Austausch mit Nachbarländern wie Kamerun und Gabun erleichtert.
Ob sich diese neue Stadt zu einem echten Wachstumsmotor entwickelt oder als teures Luftschloss mitten im äquatorialen Regenwald in die Geschichte eingeht, werden die kommenden Jahre zeigen. (Quelle : afrik.com)