Das sagte Außenministerin Annalena Baerbock vor dem Deutschen Bundestag zum Mandat EU Military Partnership Mission (EUMPM) in Niger.
„Ich will, dass meine Kinder sicher zur Schule kommen, dass ich sicher zum Markt gehen kann.“ – Das ist es, was mir und einigen Kollegen aus dem Bundestag Frauen im Niger erzählt haben, als wir letztes Jahr dort waren. Einzukaufen, zur Schule zu gehen, zu arbeiten – all das, was für uns selbstverständlich ist, bedeutet für Millionen von Menschen im Sahel ein tägliches Wagnis.
Mehr als 40 Prozent aller Menschen, die im letzten Jahr weltweit durch terroristische Gewalt getötet wurden, starben im Sahel. In den letzten sechs Jahren hat sich die Anzahl der Todesopfer durch Terrorismus in der Region verachtfacht. Und diese Gewalt verursacht nicht nur heute Leid und Not, sie birgt auch furchtbare Risiken für die Zukunft. In Niger mussten wegen der Sicherheitslage im letzten Jahr mehr als 800 Schulen schließen, die meisten davon in der Region Tillabéri. Wenn Mädchen und Jungen ihre Chance auf Bildung verlieren, dann verlieren sie auch ihre Hoffnung auf die Zukunft. Ein zusätzliches Schuljahr verringert die Wahrscheinlichkeit, dass ein junger Mensch sich in der Region einer extremistischen Gruppe anschließt, um 13 Prozent, wie es gerade eine aktuelle UNDP-Studie verdeutlicht hat. Jedes Schuljahr weniger erhöht für Mädchen wiederum die Gefahr, ein Jahr früher verheiratet zu werden.
Keine Perspektiven, Unsicherheit, Gewalt – diesen Teufelskreis zu durchbrechen, darum geht es der nigrischen Regierung, und darum geht es uns als Europäische Union. Wir wollen die Menschen in Niger nicht allein lassen. EUMPM, die neue militärische Partnerschaftsmission der EU, ist dabei ein wichtiger Baustein; denn sie hilft, die nigrischen Streitkräfte auszubilden und auszurüsten, damit sie ein Minimum an Sicherheit für die Frauen und Männer und vor allem für die Kinder und Jugendlichen in diesem Land gewährleisten können; damit sich eben diese Spirale der Gewalt nicht weiterdreht; damit wir dem Terrorismus zumindest ein Stück weit den Nährboden entziehen können.
Und ja – das werden einige von Ihnen vielleicht auch gleich noch mal betonen -, das ist alles andere als ein leichtes Unterfangen. Das sehen wir vielerorts im Sahel, vor allen Dingen in Mali. Deswegen engagieren wir uns nicht leichtfertig oder naiv in dieser neuen Mission, sondern sie hat ein klares Ziel und ein klar definiertes Ende, im Übrigen auch auf Wunsch des nigrischen Präsidenten.
Und wir wissen: Entscheidend für ihren Erfolg ist die Abstimmung mit unseren nigrischen Partnern. Auch das ist eine Lehre aus unserem Engagement in Mali: Wir müssen uns gegenseitig aufeinander verlassen können. Wie gut das geht und funktioniert, das haben wir in Niger bereits in der deutschen Spezialkräfteausbildung Gazelle in Tillia erlebt; daran knüpfen wir an.
Bei unserem Besuch vor Ort mit einigen Kollegen Abgeordneten war, glaube ich, einer der wichtigsten Sätze, den wir von der Regierung gehört haben: Wir brauchen nicht einfach mehr Soldaten. Ihr gewährleistet eure Sicherheit – vor allen Dingen im Inland – durch die Polizei. Genau diesen Weg wollen wir in Zukunft gemeinsam weitergehen. – Deswegen schauen wir ganz genau hin, wo Militär wirken kann, wo Polizei wirken kann und wo das zivile Engagement wirken kann. Bei EUMPM steht im Fokus, dass wir unseren nigrischen Partnern genau zuhören, was sie brauchen, um für ihre eigene Sicherheit zu sorgen: für die Ausstattung und Ausbildung ihrer Soldatinnen und Soldaten und für ihre Schulungsgebäude und Kasernen.
Dabei ist klar: Sicherheit braucht mehr als Militär. Deswegen betten wir diese Mission in unser ziviles und humanitäres Engagement vor Ort ein. Das ist im Übrigen die Grundlage für unsere Nationale Sicherheitsstrategie. Es ist damit auch Grundlage für unsere Sahelstrategie, die wir gerade aktualisieren. Es beinhaltet unser Verständnis menschlicher Sicherheit und eines integrierten Sicherheitsansatzes.
Wenn wir genau hinschauen, dann sehen wir, warum sich Menschen extremistischen Gruppen anschließen: Es fehlt ihnen am Nötigsten: an Nahrung, an Einkommen, an Schule, vor allen Dingen an den Mitteln, um ihre Familien zu ernähren, zugleich an Arbeit. Deswegen setzen wir mit unserer Nothilfe genau hier an, indem wir helfen, humanitäre Bedarfe – Stichwort „Gesundheit“ – zu bedienen und durch Bildungs- und Beschäftigungsangebote wirkliche Perspektiven zu schaffen. Auch das ist Teil unserer integrierten Sicherheitspolitik.
Ich möchte betonen: Wir arbeiten hier mit einer Regierung zusammen – in diesen herausfordernden Zeiten ist das auch mal eine gute Nachricht, gerade aus dieser Region -, die nicht nur demokratisch gewählt ist, sondern deren Staatspräsident mir bei meinem Besuch auch noch sagte: „Wissen Sie was? Das Allerwichtigste sind Bildung, Gesundheit und Frauenrechte“; das hört man auch nicht jeden Tag von Staatspräsidenten.
Und warum? Damit sie endlich die Geburtenrate in den Griff bekommen können. Denn sie wissen: Wenn sie die Geburtenrate nicht in den Griff bekommen, dann können sie gar nicht so viele Schulen bauen, wie sie brauchen, und alle Menschen ernähren, erst recht nicht, wenn sich die Auswirkungen der Klimakrise dort so dramatisch verschärfen.
Deswegen ist es für uns so wichtig, dass wir auch die Klimaherausforderungen vor Ort erkennen. Auch sie bieten weiteren Nährboden für Terrorismus, weil sich Binnenvertriebene und Ortsansässige um die wenigen Ackerflächen streiten. Wir wollen verhindern, dass sich die Gewalt aus Ländern wie Niger, Burkina Faso und Mali auf die Küstenstaaten Westafrikas ausbreitet. Deswegen arbeiten wir mit Niger, aber auch mit anderen Ländern zusammen im Bereich des mobilen Grenzschutzes – zum Beispiel bei den nigrischen Sicherheitskräften – und beim Kampf gegen Menschenhandel und Waffenschmuggel. Für all dies braucht es gemeinsames Handeln – für Niger, aber auch für andere Länder vor Ort.
Sicherheit ist lebenswichtig; darum geht es bei dieser Mission. Es geht darum, dass Kinder zur Schule, Frauen zum Markt und Männer auf ihre Weide gehen können. Es geht um eine Zukunft ohne ständige Angst, ohne Not und Gewalt.“ (AA)