Andauernde Proteste in Nigeria: Auch in dieser Woche gingen die landesweiten Demonstrationen gegen die hohen Lebenshaltungskosten und schlechte Regierungsführung in Nigeria weiter. Dabei ebbten die Proteste zwar aufgrund des harten Durchgreifens der Sicherheitskräfte sowie den in einigen Landesteilen verhängten ganztägigen Ausgangssperren ab, insbesondere im Norden gingen seit Montag jedoch erneut Hunderte Menschen auf die Straßen.
Erst am Sonntag hatte sich Präsident Bola Ahmed Tinubu (All Progressives Congress, APC) in einer offiziellen Ansprache an die Demonstrierenden gewandt und ein Ende der Proteste gefordert. Dabei betonte er, die Stimmen der jungen Bevölkerung gehört zu haben und in einen gemeinsamen Dialog treten zu wollen. Gleichzeitig wies er die Sicherheitskräfte an, unter Einhaltung der Menschenrechtskonventionen weiterhin für Frieden, Recht und Ordnung zu sorgen.
Seit vergangenem Donnerstag demonstrieren in dem westafrikanischen Staat insbesondere junge Menschen unter dem Slogan „End Bad Governance in Nigeria“ und fordern die Regierung von Präsident Tinubu auf, wirtschaftliche Reformen, wie z.B. die Aussetzung der Treibstoff- und Stromsubventionen zurückzunehmen. Während die Proteste im Süden überwiegend friedlich verliefen, steckten Demonstrierende im Norden des Landes teilweise Regierungsgebäude in Brand und zerstörten öffentliche Infrastruktur. Die Sicherheitskräfte gingen vielerorts hart gegen Protestierende und auch Journalistinnen und Journalisten vor. So wurde neben Tränengas auch scharfe Munition eingesetzt.
Laut offiziellen Angaben kamen bei den Protesten sieben Menschen ums Leben. Amnesty International berichtete hingegen von mindestens 21 Todesopfern. Der nationale Polizeichef Kayode Adeolu Egbetokun wies Vorwürfe zurück, wonach die Sicherheitskräfte die Demonstrantinnen und Demonstranten gezielt angegriffen hätten. Er teilte am Samstag mit, dass innerhalb von zwei Tagen mehr als 700 Menschen wegen Raubes, Brandstiftung und der Zerstörung von Eigentum festgenommen worden seien. Darüber hinaus wurden über 90 Protestierende verhaftet, die russische Fahnen trugen, gab Polizeisprecher Olumuyiwa Adejobi am Dienstag bekannt. Die nigerianischen Behörden, die einen zunehmenden Einfluss Russlands fürchten, wie er beispielsweise in den benachbarten, militärgeführten Sahelstaaten Burkina Faso, Mali und Niger zu beobachten ist, bezeichneten dies als Angriff auf die Souveränität des Landes. Die russische Botschaft in Abuja distanzierte sich von den Aktionen und versicherte Moskaus Unterstützung für die Demokratie in Nigeria.
Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas, befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise. Nach seinem Amtsantritt im Mai 2023 setzte der 72-jährige Tinubu umfassende Reformen im Land durch, um den Zusammenbruch der Wirtschaft zu verhindern. Dazu zählten unter anderem die teilweise Abschaffung von Treibstoff- und Stromsubventionen sowie die Abwertung der Landeswährung Naira, was jedoch zu explodierenden Lebenshaltungskosten führte. So stieg die Lebensmittelinflation über 40%, Benzinpreise verdreifachten sich. Zwar führte die Regierung einige Auffangmaßnahmen ein, darunter die Neuauflage eines Jugendinvestitionsfonds in Höhe von 70 Millionen US-Dollar, sowie im Juli dieses Jahres eine Erhöhung des Mindestlohns von etwa 20 US-Dollar auf 44 US-Dollar pro Monat, dennoch können die Löhne nicht mit den Preissteigerungen von Grundnahrungsmitteln wie Reis mithalten.
Nun kündigte die Regierung Lieferungen von landwirtschaftlichen Gütern aus den USA, Brasilien und Belarus sowie den Verkauf von Reissäcken an Beamtinnen und Beamte zum halben Preis an, um weitere Proteste zu verhindern. Während die Bevölkerung Tinubus Wirtschaftsreformen, mithilfe derer die Staatseinnahmen auf rund 5,55 Milliarden US-Dollar verdoppelt und die Schuldentilgung von 97% auf 68% gesenkt werden konnten, als zu schnell und mit zu wenig sozialer Unterstützung umgesetzt ansieht, begrüßen insbesondere ausländische Investoren die Reformen. Auch die Weltbank hatte erst im Juni dieses Jahres ein Darlehen in Höhe von 2,25 Milliarden US-Dollar zur Unterstützung von Tinubus Haushaltsplan genehmigt. Die Proteste sollen noch bis mindestens Samstag fortgesetzt werden.
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