Algeriens Opposition legt Einspruch gegen Wahlergebnis ein: Am Dienstag legten die beiden Oppositionskandidaten der Präsidentschaftswahl vom Samstag, Abdellali Hassani Cherif vom Mouvement pour la Société et la Paix (MSP) und Youcef Aouchiche von der Front des Forces Socialistes (FFS), Einspruch gegen die vorläufige Wahlergebnis beim Verfassungsgericht ein.
Dabei werfen die Kandidaten, die laut dem vorläufigen Ergebnis dem derzeitigen Amtsinhaber Präsident Abdelmadjid Tebboune mit 3,17% bzw. 2,16% zu 94,7% der Stimmen unterlagen, der nationalen Wahlbehörde (L’Autorité nationale indépendante des élections, ANIE) Unregelmäßigkeiten und Widersprüche bei den Ergebnissen, Unklarheiten und Unstimmigkeiten bei der Angabe der Wahlbeteiligung sowie Fehler bei den Prozentsätzen der einzelnen Kandidaten vor.
Auch Wahlsieger Tebboune schloss sich überraschend der Kritik seiner beiden Herausforderer an und forderte eine Überprüfung des Wahlergebnisses.
Der Vorwurf bezieht sich vorwiegend auf die Diskrepanzen zwischen der am Samstag veröffentlichten durchschnittlichen Wahlbeteiligung von 48,03% und den bei der Auszählung berücksichtigten Stimmen. Hier erklärte die ANIE, dass von den 5,63 Mio. abgegebenen Stimmen 5,32 Mio. an die drei Kandidaten gegangen seien – ohne die Anzahl der ungültigen Stimmzettel zu nennen oder neue Zahlen zur Wahlbeteiligung anzugeben. Insgesamt 24,5 Mio. Algerierinnen und Algerier hatten sich im Vorfeld zur Wahl registriert. Die Oppositionskandidaten Cherif und Aouchiche kritisierten den Vorsitzenden der Wahlbehörde, Mohamed Charfi, scharf und wiesen auf Unstimmigkeiten zwischen den von lokalen Behörden und den von der ANIE veröffentlichten Zahlen hin. Demnach seien sie um mindestens hunderttausend Stimmen betrogen worden.
Die niedrige Wahlbeteiligung, die zwar laut offiziellen Angaben noch über der historisch tiefen von gerade einmal 40% bei der vergangenen Präsidentschaftswahl 2019 liegt, spiegele eine geringe Unterstützung der Bevölkerung für die derzeitige Regierungsführung wider, erklärte Cherif in einer Pressemitteilung. Bereits im Vorfeld habe sich die Wiederwahl Tebbounes abgezeichnet, eine Neuauszählung sei dennoch notwendig, um den Wählerwillen der Algerierinnen und Algerier besser darstellen zu können. Die Unregelmäßigkeiten werfen einen weiteren Schatten auf eine Wahlperiode, in der Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten wiederholt auf die repressive Atmosphäre sowie die Einschüchterung und Verfolgung von Oppositionsparteien, Medienorganisationen und zivilgesellschaftlichen Gruppen hingewiesen hatten (Pressespiegel KW 35/2024).
Die ANIE, die seit ihrer Gründung 2019 für die Integrität der Wahlen sorgen soll, weist die Vorwürfe zurück und betont, dass sie weiterhin die Originale der Auszählungsprotokolle von den lokalen Behörden erhalte und diese an das Verfassungsgericht weiterleiten werde. Die Behörde versprach zudem, die Öffentlichkeit entsprechend dem Grundsatz der Transparenz über die in den Protokollen enthaltenen Ergebnisse zu informieren, um die Glaubwürdigkeit des Wahlprozesses zu wahren, der nach eigenen Angaben unter optimalen Bedingungen stattgefunden habe.
Nun muss das Verfassungsgericht innerhalb von zehn Tagen über den Einspruch beraten und entscheiden, ob es zu einer Neuauszählung der Stimmen kommt, was nicht automatisch die Aberkennung von Tebbounes Wahlsieg bedeuten würde, oder ob das Wahlergebnis bestätigt wird. Unabhängig davon könnte die Kontroverse um die Präsidentschaftswahl das Vertrauen in die algerischen Institutionen weiter erschüttern. Sollte das Gericht den Einspruch gegen das Wahlergebnis abweisen, könnten laut Beobachterinnen und Beobachtern neue Proteste ähnlich wie bei der Hirak-Bewegung von 2019 drohen.
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