Ärzte ohne Grenzen kritisiert die mangelnde Unterstützung tausender Geflüchteter in Assamaka. Die Menschen, die aus Algerien abgeschoben und in der Wüste im Norden Nigers ausgesetzt worden sind, haben keinen Zugang zu Unterkünften, medizinischer Versorgung, Schutz und lebensnotwendigen Gütern. Ärzte ohne Grenzen fordert die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) auf, unverzüglich Schutz für die Menschen zu gewähren, die in Assamaka extrem prekären Bedingungen ausgesetzt sind.
Allein zwischen dem 11. Januar und dem 3. März 2023 kamen 4.677 Migrant*innen in Assamaka – einer Stadt in der nordnigrischen Region Agadez – an. Sie kamen zu Fuß, nachdem sie aus Algerien abgeschoben wurden und in der Wüste gestrandet waren. Weniger als 15 Prozent von ihnen konnten bei ihrer Ankunft eine angemessene Unterkunft oder Schutz finden.
Das von Ärzte ohne Grenzen unterstützte Integrierte Gesundheitszentrum (IHC) in Assamaka ist überlastet, da tausende Menschen in der Einrichtung Schutz suchen. „Die Situation ist besorgniserregend“, sagt Schemssa Kimana, Projektkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Agadez. „Das Gesundheitszentrum, das wir in Assamaka unterstützen, ist überfüllt. Die meisten Menschen, die vor Kurzem in Assamaka angekommen sind, haben sich auf dem Gelände des IHC niedergelassen, weil im Transitzentrum kein Platz mehr war.“
Laut Kimana schlafen die Menschen in jeder Ecke der Einrichtung. Einige haben behelfsmäßige Zelte am Eingang oder im Innenhof aufgestellt. Andere kampieren vor der Entbindungsstation oder auf dem Dach. Die Situation ist beispiellos. Die Temperaturen in Assamaka können bis zu 48 Grad Celsius erreichen, so dass die Menschen Zuflucht vor der Hitze suchen, wo immer sie sie finden können. Dies hat dazu geführt, dass die Menschen auch in sehr unhygienischen Bereichen wie etwa auf Müllplätzen schlafen. Dadurch sind sie erheblichen Gesundheitsrisiken wie ansteckenden Krankheiten und Hautinfektionen ausgesetzt.
Der Mangel an Unterkünften, der die Menschen dazu zwingt, unter diesen Bedingungen zu schlafen, ist alarmierend. Diese Situation ist ein Notfall – es ist für niemanden mehr tragbar, unter diesen Bedingungen zu leben.
„Wir sind besorgt, weil uns niemand eine Antwort darauf gibt, wann wir in unser Herkunftsland zurückkehren können“, sagt ein Migrant aus Kamerun gegenüber Ärzte ohne Grenzen. „Wir wissen nicht, wann wir Assamaka wieder verlassen werden. Es ist, als wäre man in einem Freiluftgefängnis. Die Mahlzeiten, die wir bekommen, sind sehr schlecht, denn es ist mehr Sand drin als Essen. Sie machen uns krank und wir bekommen davon Durchfall und Bauchschmerzen. Die Rationen sind so klein, dass wir nicht genug essen. Wir leben im IHC in Hütten, die während der COVID19-Pandemie für die Patient*innen gebaut wurden. Nachts patrouilliert die Polizei im Dorf, um Migrant*innen aufzufangen, die sich im Dorf verstreut haben, und schickt sie zurück ins IHC.“
„Die Lebensbedingungen in Assamaka sind für die Menschen auf der Flucht katastrophal. Die Sicherheitslage ist prekär und die Gesundheitsversorgung am Limit – auch für die Anwohner*innen der umliegenden Gemeinden. Der Schutz von Menschen auf der Flucht muss von allen Beteiligten gewährleistet werden“, sagt Felix Braunsdorf, politischer Referent von Ärzte ohne Grenzen Deutschland.
„Als medizinisch-humanitäre Organisation ist es unsere Pflicht, auf die prekäre Lage in der Assamaka-Wüste und auf die offensichtliche Lücke in der Hilfe und die damit verbundenen Gesundheitsrisken für die Menschen und nicht zuletzt für die Kinder hinzuweisen“, sagt Jamal Mrrouch, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Niger. „Dies ist eine beispiellose Situation, die eine dringende humanitäre Reaktion der ECOWAS erfordert.“
Ärzte ohne Grenzen ist seit 2017 in der Region Agadez tätig. Die Teams verteilen Hilfsgüter, unterstützen das Integrierte Gesundheitszentrum bei der kostenlosen medizinischen Grundversorgung, überweisen kritische Fälle in die mehrere hundert Kilometer entfernte Stadt Agadez und leisten logistische Unterstützung. (MSF, Text und Foto)