Rechtswidriges Dekret: Italien kündigt an, Schutzsuchende an Bord der Humanity 1 zurückzuweisen

Rechtswidriges Dekret: Italien kündigt an, Schutzsuchende an Bord der Humanity 1 zurückzuweisen
Foto: Max Cavallari / SOS Humanity

Das zivile Rettungsschiff Humanity 1 mit 179 aus Seenot Geretteten an Bord hat nach mehr als zwei Wochen des Wartens und 21 Anfragen an die relevanten Behörden noch immer keinen sicheren Ort zugewiesen bekommen. Wegen eines Sturmes ist das Schiff – nach vorheriger Information an die italienische Rettungsleitstelle und in Absprache mit dem zuständigen Hafenmeister – am Freitagabend in italienische Territorialgewässer vor der sizilianischen Hafenstadt Catania eingefahren, um Schutz vor hohen Wellen und starkem Wind zu suchen.

Ebenfalls am Freitagabend erhielt der Kapitän der Humanity 1 ein Schreiben, signiert von den italienischen Ministern für Inneres (Matteo Piantedosi), für Verteidigung (Guido Crosetti) und für Infrastruktur & Verkehr, (Matteo Salvini). Das Dekret verbietet der Humanity 1 länger in italienischen Hoheitsgewässern zu verweilen als es „für Rettungs- und Hilfsmaßnahmen für Menschen in Notlagen und in prekären Gesundheitszuständen erforderlich ist.“ Das Dekret deutet an, dass besonders vulnerable Personen identifiziert und nur eine Auswahl der Überlebenden von dem außerhalb des Hafens ankernden Schiffs an Land gebracht werden sollen.

„Das Dekret des italienischen Innenministers ist ohne Zweifel rechtswidrig“, erklärt Mirka Schäfer, politische Referentin von SOS Humanity. „Flüchtende an der italienischen Grenze zurückzuweisen verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention sowie internationales Recht. Alle 1.078 aus Seenot Gerettete an Bord der Humanity 1, sowie an Bord der zivilen Rettungsschiffe Ocean Viking, Geo Barents und Rise Above, sind schutzbedürftig. Italien ist dazu verpflichtet alle Überlebenden sofort an Land gehen zu lassen.“

Zu einer möglichen Selektion der Überlebenden an Bord der Humantiy 1, zu der das Schiff keine Instruktionen erhalten hat, erklärt Schäfer weiter: „Bei allen 179 Überlebenden an Bord der Humanity 1 handelt es sich um aus Seenot gerettete Menschen, die nach internationalem Recht unverzüglich an einen sicheren Ort an Land gebracht werden müssen. Die Überlebenden sind aus Libyen geflohen, wo sie Menschenrechtsverletzungen wie Folter ausgesetzt waren. Als Flüchtende befinden sie sich eindeutig in einem vulnerablen Zustand, einige von ihnen sind sichtbar traumatisiert. Die Geretteten müssen umgehend an Land gehen dürfen, wo ihre medizinische und psychologische Versorgung sichergestellt werden kann und sie ihr Recht, internationalen Schutz zu beantragen, wahrnehmen können. Es wäre nach internationalem Recht und aus humanitärer Sicht absolut unzulässig nur eine Auswahl der Überlebenden auszuschiffen.“

Der Kapitän der Humanity 1, Joachim, betont: „Als Kapitän bin ich verantwortlich für die Sicherheit aller Menschen hier an Bord. Nach rund zwei Wochen an Deck, unter diesen stürmischen Bedingungen und besonders mit der Vorgeschichte in Libyen, sind alle diese Menschen schutzbedürftig. In kurzer Zeit gehen uns zudem die Lebensmittel an Bord aus. Wir brauchen für jeden einzelnen dieser Menschen dringend die Ausschiffung an einem sicheren Ort. Das ist ihr Recht, und dafür werde ich mich einsetzen.“

Seit Freitag leiden die Geretteten unter dem plötzlichen Wetterumschwung, sie frieren auf dem nur teilweise mit einer Plane geschützten Deck und sind in der regnerischen und stürmischen Nacht nass geworden. Diese Wetterlage belastet die Menschen und vor allem die mehr als 100 unbegleiteten Minderjährigen zusätzlich. Neben der deutlich verschlechterten Wetterlage ist auch die angemessene Versorgung mit Lebensmitteln zeitlich begrenzt: Zwei warme Mahlzeiten können nur noch drei Tage lang angeboten werden. Anschließend stehen auf dem Schiff nur noch Couscous- und Reisvorräte zur Verfügung.

„Wir fordern die europäischen Staaten sowie die Zivilgesellschaft auf, sofort zu handeln und dieses Unrecht nicht tatenlos hinzunehmen“, erklärt Schäfer. (SOS Humanity)