Rettungsschiff von SOS Humanity aufgrund von Lügen durch Behörden festgesetzt

Rettungsschiff von SOS Humanity aufgrund von Lügen durch Behörden festgesetzt
Die Humanity 1 bezeugt einen illegalen Pull-back, bei dem die sog. libysche Küstenwache Menschen in Seenot zurücklässt. Foto: Camilla Kranzusch / SOS Humanity

Am Samstagabend, 2. Dezember 2023, wurde das Rettungsschiff Humanity 1 nach der Ausschiffung von 200 aus Seenot geretteten Menschen im süditalienischen Crotone festgesetzt. Die Begründungen der italienischen Behörden für diese Blockade beruhen auf einer Reihe an Lügen, die SOS Humanity durch ihre Dokumentation der Ereignisse auf See widerlegen kann.

Die Festsetzung wurde aufgrund einer Rettung, die die Humanity 1 am vergangenen Donnerstag durchgeführt hat, von italienischen Behörden verhängt. Dabei konnte die Besatzung 46 Menschen, die sich bereits im Wasser befanden, vor dem Ertrinken retten. Das Schlauchboot war zuvor von einem Patrouillenboot der sogenannten libyschen Küstenwache in internationalen Gewässern gestoppt worden, um die Fliehenden an Bord zu zwingen und illegal nach Libyen zurückzubringen. Während dieses Pull-backs gerieten zahlreiche Menschen ohne Rettungswesten oder sonstige Rettungsmittel ins Wasser.

In der Begründung der Festsetzung, die auf einem Bericht der Libyer basiert, erhebt Italien zwei Vorwürfe gegen die Besatzung der Humanity 1. Zum einen soll der Kapitän Anweisungen der libyschen Rettungsleitstelle und Funksprüche der sogenannten libyschen Küstenwache ignoriert haben, in denen er angeblich aufgefordert wurde, das Gebiet zu verlassen – eine haltlose Falschbehauptung. „Ich bin schockiert über die Lügen, die der Festsetzungsbericht enthält“, erklärt Joachim, Kapitän der Humanity 1. „De facto habe ich keine Anweisungen vom libyschen Patrouillenboot erhalten. Im Gegenteil, ich habe versucht, sowohl die libysche Rettungsleitstelle per E-Mail und Telefon als auch das libysche Patrouillenboot per Funk zu kontaktieren, ohne eine Antwort zu erhalten.“ Dies geht auch aus dem lückenlos dokumentierten E-Mail- und Funkverkehr hervor.

Zum anderen wird die Humanity 1 dafür verantwortlich gemacht, dass Menschen versuchten vor der sogenannten libyschen Küstenwache zu fliehen und ins Wasser sprangen. Auch dieser Vorwurf ist eine klare Falschbehauptung. „Bereits 20 Minuten vor unserer Ankunft wurden wir per Funk darüber informiert, dass sich mehr als 40 Menschen im Wasser befinden“, berichtet Kapitän Joachim. Die Meldung kam vom zivilen Aufklärungsflugzeug Seabird 1, das den Pull-back aus der Luft beobachtete. Zu diesem Zeitpunkt war die Humanity 1 noch etwa fünf Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt, was auch die Positionsdaten belegen. „Wenn man in einem kleinen Boot sitzt, kann man ein Schiff auf diese Distanz nicht identifizieren“, merkt der Kapitän an. „Die sogenannte libysche Küstenwache unternahm nichts, um die Menschen im Wasser vor dem Ertrinken zu retten.”

Die Brücke der Humanity 1 bat schließlich die italienische Rettungsleitstelle um Koordination. Der diensthabende Offizier wies den Kapitän an, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um das Leben der Menschen im Wasser zu retten. Dieser Aufforderung zur Rettung, zur der auch internationales Seerecht verpflichtet, kam der Kapitän nach.

SOS Humanity unternimmt rechtliche Schritte gegen die Festsetzung
SOS Humanity ist entsetzt über die schamlosen Lügen der Behörden und die allein hierauf gestützte Konsequenz von 20 Tagen Blockade der Humanity 1 und einer Geldstrafe von 3.333 Euro. Die zivile Seenotrettungsorganisation wird gegen die Festsetzung und die Geldstrafe klagen. Das Rettungsschiff der Berliner Organisation muss sofort freigelassen werden, um so schnell wie möglich wieder auf See zurückkehren und ihrer lebensrettenden Arbeit nachgehen zu können. Die Festsetzung der Humanity 1 ist eine unmittelbare Folge der Umsetzung des italienischen Gesetzes 15/2023, welches eine Reihe von bürokratischen Hindernissen für die Suche und Rettung auf See schafft und 2023 bereits in 13 Fällen zu Festsetzungen von zivilen Rettungsschiffen führte. SOS Humanity und vier weitere Nichtregierungsorganisationen haben im Juli 2023 bei der Europäischen Kommission Beschwerde gegen das Gesetz und die Praxis der Behinderung von ziviler Seenotrettung durch die italienische Regierung eingelegt. (SOS Humanity)