Ruandas Wirtschaftswunder und deutsche Placebos

Ruandas Wirtschaftswunder und deutsche Placebos
Ruandas Präsident Paul Kagame. Foto: Ingrid Aouane

Gerade sorgt eine Liste mit Entwicklungsprojekten der Bundesregierung für Furore. In Ruanda wird außerdem mit deutscher Förderung eine BioNTech-Fabrik gebaut. Doch dies freut nur die Lobbyisten und nicht den afrikanischen Wirtschaftschampion.

Nach der dunklen Periode mit Massakern und Vertreibungen konnte 2000 eine Regierung demokratisch gewählt werden. Präsident Paul Kagame hat seither mit einem hohen Maß an Entwicklungsorientierung ein beachtliches Wirtschaftswachstum erzielt. Unternehmergeist und ein konstantes Wachstum von sieben bis acht Prozent ziehen ausländische Unternehmen und Institutionen an. Dabei konzentriert sich Kagame auf die Förderung der Entwicklung des privaten Sektors.

Für das Jahr 2024 erwartetet die Economist Intelligence Unit, eine Schwesterfirma des britischen Nachrichtenmagazins The Economist, ein reales Wachstum des Bruttoinlands- Produkts (BIP) von 7,1 Prozent. Damit wird Ruanda vermutlich erneut afrikanischer Wirtschaftschampion.

„Kagame hat es geschafft, Ruanda als stabiles Investitionsziel zu positionieren, unter anderem dank einer erfolgreichen Korruptionsbekämpfung. Gravierende Nachteile, wie geringe Marktgröße und die Binnenlage, können damit teilweise wettgemacht werden. Internationale Geber, die in Ruanda sehr aktiv sind, versorgen den Markt (Bau, Energie, Wasser, Landwirtschaft, Gesundheit) mit reichlich Kapital“, schreibt die GTAI (Germany Trade & Invest).

Hinzufügen möchte ich noch Tourismus und Dienstleistungen. Größter Devisenbringer ist derzeit der Tourismus, weil die Regierung früh den Wert von Wildtier-Tourismus erkannt hat und Reisen zu den Berggorillas geschickt vermarktet.

Lobby für BioNTech und eine unbeirrbare Weltrettungsattitüde
Das zieht natürlich auch Glücksritter wie den Theaterwissenschaftler Holm Keller an. Er leitet die ziemlich unbekannte Stiftung kENUP (Malta), eine Lobbyorganisation (seit 2. Januar 2023 im Lobbyregister des Deutschen Bundestages eingetragen), die nach eigenen Aussagen Innovationen im Gesundheitswesen unterstützt. Er hat BioNTech-Chef Ugur Sahin den Weg nach Kigali, der Hauptstadt von Ruanda, geebnet. Im Juni 2022 wurde in Kigali der Grundstein eines Werks gelegt, in dem mRNA-Vakzine für den afrikanischen Markt ab 2025 produziert werden sollen.

Natürlich wissen alle Beteiligten, dass es so gut wie keinen Markt für Covid-Impfstoffe in Afrika gibt. Dieser Impfstoff wird weder nachgefragt noch gebraucht, aber der Chef von BioNTech kann sich damit als Wohltäter – auch auf Kosten des deutschen Steuerzahlers – in Afrika präsentieren. Wie Außenministerin Baerbock bei der Eröffnungszeremonie der Produktionsstätte am 18. Dezember 2023 in Kigali sagte, wird das Werk mit 1,2 Milliarden je zur Hälfte von der EU (Global Gateway-Initiative) und Deutschland finanziert. Mit dieser Scheckbuch- oder Bella-Figura-Politik soll dem schwindenden politischen Gewicht und Einfluss Deutschlands in Afrika entgegengewirkt werden.

Sehr sinnvoll und nützlich ist dagegen ein anderes Projekt. In Masaka, einem Vorort von Kigali, wurde am 16. Oktober 2023 das erste Kompetenzzentrum für minimalinvasive Chirurgie in Afrika eröffnet. Ziel ist es, Ärzte aus ganz Afrika in dieser Operationstechnik auszubilden. Bei der minimalinvasiven Chirurgie wird – bei geringerer Belastung der Patienten – ein robotergestütztes Laparoskop in den Körper eingeführt. Finanziert wird das Zentrum von der ruandischen Regierung und von IRCAD (Institut de Recherche contre les Cancers de l’Appareil Digestif), Straßburg.

Kagame schuf eine Leistungsgesellschaft, eine bürgernahe Verwaltung und damit eine höhere Lebensqualität als in den meisten afrikanischen Staaten. Zuständigkeiten und vor allem Ressourcen gingen im Rahmen einer Dezentralisierung an die Kommunalverwaltung über. Ganz nebenbei: Kigali gilt als die sauberste Stadt Afrikas. Und das Gesundheitssystem hat sich – anders als in den meisten afrikanischen Staaten, die ich kenne – positiv entwickelt und deckt mehr als 90 Prozent der Bevölkerung ab.

Westliche notorisch-besserwisserische Journalisten beschreiben Kagame gerne herabsetzend als „umstritten“, weil er sein Land straff regiert. Wir sollten lernen, dass „Demokratie“ keine universelle Lösung ist. Ruanda ist ein autoritäres System, aber das Gemeinwohl steht im Vordergrund. Der Lebensstandard der Massen wurde substanziell verbessert.

Es gibt nur wenige afrikanische Staaten, von denen man dies sagen könnte. Mir fallen nur Botswana, Mauritius und die Seychellen ein. Warum wohl sitzen in den Flüchtlingsbooten, die übers Mittelmeer nach Europa kommen, keine Ruander? Sie fliegen in die entgegengesetzte Richtung und bringen Wissen, Kapital und Innovation mit. (Quelle: achgut.com, mit freundlicher Genehmigung des Autors Volker Seitz, Botschafter a.D., Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv, 11. Auflage 2021)