
Der kalifornische E-Auto-Pionier Tesla hat seine erste afrikanische Tochtergesellschaft in Casablanca gegründet – ein strategischer Meilenstein mit weitreichender Bedeutung. Marokko bietet für Elon Musk den idealen Zugang sowohl zu Europa als auch zu Afrika: optimale logistische Anbindung, attraktive steuerliche Rahmenbedingungen, Zugang zu kritischen Rohstoffen und eine wachsende industrielle Infrastruktur. Eine Analyse eines Schritts, der die globale Elektromobilität neu ordnen könnte.
Ohne großes Aufsehen, aber mit großer Bedeutung: Mit der Eintragung von „Tesla Morocco“ ins Handelsregister von Casablanca am 27. Mai hat Tesla seine erste direkte Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent geschaffen. Keine medienwirksame Inszenierung, kein großes Event – nur der nüchterne administrative Akt. Doch hinter dieser unspektakulären Gründung verbirgt sich eine klare Strategie.
Casablanca als Schaltzentrale für Afrika und Europa
Im zehnten Stock des Crystal Towers mit Blick auf den Atlantik hat Tesla Morocco sein Büro bezogen. Ausgestattet mit einem Startkapital von 27,5 Millionen Dirham und geführt von einem internationalen Management-Duo – dem Spanier Rafael Arqueza Martin und dem Amerikaner Shahin Oliver Khorshidpanah – nimmt die afrikanische Expansion des Unternehmens konkrete Formen an.
Dabei geht es um weit mehr als den bloßen Import und Verkauf von Fahrzeugen wie dem Model Y. Die marokkanische Tochter – hervorgegangen aus der Zusammenarbeit von Tesla International B.V. und Tesla Motors Netherlands B.V. – verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz mit drei zentralen Säulen:
Komplettes Dienstleistungsangebot rund ums Elektroauto: Neben Verkauf und Import umfasst das Angebot auch Wartung, Reparaturen und die Bereitstellung von Ersatzfahrzeugen. Tesla setzt auf langfristige Präsenz und Kundennähe.
Energiewende und grüne Technologien: Geplant sind der Aufbau und Betrieb stationärer Energiespeichersysteme, der Ausbau von Solaranlagen und die Entwicklung innovativer Energiewandlungstechnologien. Damit könnte Tesla Morocco eine Schlüsselrolle in Marokkos grüner Transformation übernehmen.
Ladeinfrastruktur als Rückgrat der Elektromobilität: Tesla will sein bekanntes Supercharger-Netz im Land etablieren und intelligente, digital gesteuerte Ladelösungen einführen.
Marokko: Perfekte Rahmenbedingungen für Teslas Pläne
Die Wahl Marokkos ist das Ergebnis einer sorgfältig kalkulierten geoökonomischen Strategie. Gleich mehrere Faktoren machen das Land hochattraktiv:
- Logistischer Knotenpunkt Richtung Europa: Der Hafen Tanger Med, Afrikas größter Hafenkomplex, exportiert jährlich über 600.000 Fahrzeuge und liegt nur 14 Kilometer von Spanien entfernt. Fahrzeuge lassen sich innerhalb von 48 Stunden nach Barcelona oder Marseille verschiffen – ein entscheidender Vorteil für Teslas „Just-in-Time“-Produktions- und Lieferphilosophie.
- Attraktive Steuerpolitik: Marokkos Industrie-Sonderzonen bieten fünf Jahre lang vollständige Befreiung von der Körperschaftssteuer, vollständige Mehrwertsteuerbefreiung und den Wegfall von Einfuhrzöllen – ideale Bedingungen für internationale Investoren.
- Einzigartige Freihandelsabkommen: Marokko verfügt über privilegierte Handelsabkommen sowohl mit der EU als auch mit den USA (seit 2006). 95 Prozent der Zölle auf Industriegüter entfallen. Für Tesla bedeutet das nahezu zollfreier Zugang zu zwei der wichtigsten Absatzmärkte – zudem umgeht das Unternehmen so den europäischen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM).
Marokkos Industrie: bereits bestens aufgestellt
Tesla betritt ein bereits etabliertes industrielles Umfeld. Mit über 250 Zulieferbetrieben und 570.000 produzierten Fahrzeugen im Jahr 2023 ist Marokkos Automobilindustrie gut aufgestellt. Unternehmen wie Renault, Stellantis und Ford produzieren längst vor Ort. Das Sektorvolumen liegt bei rund 14 Milliarden US-Dollar an Exporten und 220.000 Beschäftigten – ideale Voraussetzungen für Tesla: funktionierende Lieferketten, qualifizierte Arbeitskräfte und eingespielte Prozesse.
Kritische Rohstoffe direkt vor Ort
Auch beim Zugang zu Schlüsselmaterialien bietet Marokko entscheidende Vorteile:
In der Bou-Azzer-Mine wird zertifiziertes, „verantwortungsvoll“ gewonnenes Kobalt gefördert, das bereits von BMW und Renault verwendet wird (jährlich 5.000 Tonnen Kobaltsulfat).
Der Bergbaukonzern Managem plant zudem eine Kobaltraffinerie in Guemassa, um die Wertschöpfungskette vor Ort auszubauen.
Der Staatskonzern OCP will ab 2027 in die Produktion von Lithium-Eisenphosphat-Batterien einsteigen.
Vier chinesische Unternehmen (BTR, CNGR, Hailiang, Shinzoom) investieren über 1,3 Milliarden US-Dollar in die Kathodenproduktion an den Standorten Tanger Tech und Jorf Lasfar.
Für Tesla bietet sich damit die Chance, die eigene Lieferkette nicht nur unabhängiger von China und dem Kongo zu machen, sondern gleichzeitig die CO₂-Bilanz der Batterieproduktion deutlich zu verbessern.
Günstige grüne Energie als entscheidender Standortfaktor
Der Solarpark Noor Ouarzazate lieferte 2023 bereits 1,5 TWh. Der aktuelle Ausbauplan sieht zusätzliche 3 GW Photovoltaikleistung bis 2028 vor. Im internationalen EY-RECAI-Index für erneuerbare Energien zählt Marokko damit zu den attraktivsten Standorten weltweit. Bemerkenswert ist der Preis: In den letzten Ausschreibungen lagen die Kosten für Solarstrom bei unter 3 US-Cent pro kWh – ein großer Standortvorteil, insbesondere für die energieintensive Batteriezellfertigung.
Geopolitisch perfektes Timing
Der Zeitpunkt der Expansion ist geschickt gewählt: 2030 wird Marokko gemeinsam mit Spanien und Portugal die Fußball-Weltmeisterschaft ausrichten – und dabei weltweite Aufmerksamkeit genießen. Tesla dürfte diese internationale Bühne nutzen, um seine afrikanischen und europäischen Ambitionen weiter zu untermauern.
Ein boomendes Batterie-Ökosystem
Marokko setzt jedoch nicht allein auf Tesla. In Kürze wird in Jorf Lasfar die erste vollständig marokkanische Kathodenfertigung durch das Joint Venture Cobco (Al Mada und CNGR) starten. Ziel: Materialien für mehr als eine Million Elektrofahrzeuge pro Jahr.
Zudem fertigt STMicroelectronics in seinem Werk in Bouskoura nahe Casablanca bereits heute elektronische Komponenten für Tesla – ein Indiz für die bereits bestehende enge Zusammenarbeit in der Lieferkette.
Nach Starlink weitet Elon Musk seinen Einfluss in Marokko nun systematisch weiter aus. (Quelle: afrik.com)