Burundi: Konflikte verhandelbar machen

Burundi: Konflikte verhandelbar machen
Friedensarbeit wirkt: Die freiwillige Abgabe illegaler Waffen und die sozioökonomische Wiedereingliederung ehemaliger Kindersoldat:innen haben die Gewalt in den Gemeinden deutlich reduziert.

Wie kann Mediation etwas ermöglichen, das eine Gerichtsverhandlung nicht zu leisten vermag? Seit dem Bürgerkrieg der neunziger Jahre in Burundi spielen Friedenskomitees bei der Bearbeitung von Konflikten eine zunehmend wichtige Rolle. Ursprünglich als Gesprächs- und Versöhnungsgruppen in einigen wenigen Dörfern entstanden, sind mittlerweile Hunderte solcher Komitees im ganzen Land aktiv. Unterstützt werden sie seit vielen Jahren von der burundischen Nichtregierungsorganisation MIPAREC (Ministry for Peace and Reconciliation Under the Cross) in Zusammenarbeit mit dem Weltfriedensdienst (WfD).

In den ersten beiden Kooperationsphasen konzentrierte sich die Beratung und Fortbildung auf die Mediation in Bodenrechtskonflikten und die Aufarbeitung der gewaltsamen Vergangenheit.

Dieser Programmansatz wurde später erweitert: In Dialog- und Advocacy-Foren behandelt das Projekt nun auch strukturelle Konfliktursachen wie die politisch motivierte Vergabe von Landtiteln, geschlechterbasierte Gewalt oder die Instrumentalisierung arbeitsloser Jugendlicher als Parteimilizen. Rund 300 lokale und zwölf kommunale Friedenskomitees vermitteln inzwischen erfolgreich in vielfältigen Konflikten.

Es sei bemerkenswert, so WFD-Programmkoordinatorin Michaela Balke, dass Mediationsverfahren der Komitees oftmals ermöglichten, was Gerichtsverhandlungen nicht zu leisten vermögen. Sie stellt fest: „Gewalttäter aus dem Bürgerkrieg hatten vor Gericht ihre nachweisbaren Verbrechen geleugnet und lange Gefängnisstrafen akzeptiert. Als aber ein Mediationsverfahren eingeleitet wurde, begannen sie, offen über ihre Verbrechen zu sprechen, und waren sogar bereit, lebenslange Reparationen an die Opfer zu zahlen.“ Tatsächlich können die Friedenskomitees vielfach auch sehr verwickelte Situationen zu Fragen von Bodenrecht, genderbasierter Gewalt und Konflikten in Familie und Gemeinschaften erfolgreich klären. Das zeigen die dokumentierten Fälle, die Jahr für Jahr im vierstelligen Bereich liegen. Allein 2021 befassten sich die von MIPAREC begleiteten Friedenskomitees mit 1.324 Konflikten. In 65 Prozent der Fälle erreichten sie ein für alle Seiten zufriedenstellendes Ergebnis.

Alternative Rollenmodelle für gewaltbereite Jugendmilizen
Neben den Friedenskomitees haben MIPAREC und der Weltfriedensdienst den Aufbau von Trauma- und Selbsthilfegruppen und gewaltfreien Jugendclubs initiiert. „Den meisten Jugendlichen fehlt es an Perspektiven. Das macht sie besonders anfällig für Gewalt und Radikalisierung, etwa durch Parteimilizen“, stellt Michaela Balke fest. Workshops zu Bürgerrechten, Konfliktursachen und gewaltfreier Konfliktbearbeitung führen andere Rollenmodelle vor Augen. Gemeinsam arbeiteten Jugendliche verschiedener Parteizugehörigkeiten an Verhaltenskodizes, die im Vorfeld der allgemeinen Wahlen 2020 zu einem Gewaltverzichtsabkommen zwischen zwei verfeindeten Jugendmilizen führten.

Zwei Jugendliche aus der Gemeinde Nyanza-Lac berichten: „In den erarbeiteten Richtlinien verpflichten wir uns zu gegenseitigem Respekt. Alle haben die Vereinbarung unterschrieben und sich daran gehalten, es kam zu keinem einzigen Zwischenfall. Jetzt stehen wir vor der Herausforderung, Jugendliche in den umliegenden Gemeinden für ähnliche Vorhaben zu gewinnen.“

Wachsende Anerkennung staatlicherseits
In engem Kontakt mit den Komitees unterstützen mehrere Hundert Spar- und Kreditgruppen die Projekte. Im letzten Jahr wurden 7.000 Kleinstkredite an die rund 8.200 Mitglieder vergeben – bei einer Rückzahlungsquote von 79 Prozent. Und wichtiger noch: In allen Gruppen gibt es Mitglieder, die während der Pogrome auf verschiedenen Seiten standen. Gelegentlich engagierten sich Täter und Opfer im Rahmen dieser Selbsthilfegruppen sogar in gemeinsamen Existenzgründungsinitiativen, z.B. zur Aufzucht und zum Weiterverkauf von Schweinen, und teilen sich die Gewinne daraus.

Nach Jahren anfänglicher Skepsis vonseiten der Behörden und kommunalen Institutionen gegenüber der Arbeit der Friedenskomitees mehren sich seit geraumer Zeit die Anzeichen für eine Trendwende. So habe die staatliche Wahrheits- und Versöhnungskommission die Ergebnisse der Täter-Opfer-Vermittlungen der Friedenskomitees inzwischen offiziell anerkannt, berichtet unsere Partnerorganisation. Und mehr noch: „Kürzlich erklärte der 2020 neu gewählte Staatspräsident die von MIPAREC qualifizierten Friedenskomitees explizit zum zivilgesellschaftlichen Modell.“ Trotz dieser Anerkennung der Arbeit der Ehrenamtlichen in den Komitees ist sich MIPAREC der Risiken einer politischen Vereinnahmung der lokalen Friedenskomitees bewusst und bleibt auf der Hut vor zu viel Lob von Regierungsseite. (Weltfriedensdienst)