
Angesichts sinkender internationaler Entwicklungshilfe und wachsender Finanzbedarfe sucht Afrika nach eigenen Wegen zur Selbstfinanzierung. Vom 1. bis 3. Juni findet in Marrakesch unter der Schirmherrschaft von König Mohammed VI. das „Ibrahim Governance Weekend“ statt – ein bedeutender Gipfel zur Neuausrichtung der afrikanischen Finanzstrategie.
Im Zentrum steht die Frage: Wie kann Afrika seine Entwicklung eigenständig finanzieren? Trotz beachtlicher Einnahmen von rund 920 Milliarden US-Dollar stehen Abflüsse in Höhe von 940 Milliarden gegenüber – etwa durch Schulden und Kapitalflucht. Die Lösung sehen Experten in einer Mobilisierung innerafrikanischer Ressourcen: dem Vermögen reicher Afrikaner (2,5 Billionen Dollar), dem Rohstoffreichtum und dem Ausbau lokaler Wertschöpfung.
Weniger Hilfe, mehr Eigenverantwortung
Seit Jahren schrumpft der Anteil Afrikas an der globalen Entwicklungshilfe dramatisch – von 37,6 % (2013) auf 26,7 % (2023). 2025 verschärft sich die Lage weiter: Die USA kürzen ihre Hilfe drastisch, auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien ziehen sich zurück.
Trotzdem sieht die Mo-Ibrahim-Stiftung darin eine Chance. Im neuen Bericht „Fakten & Zahlen 2025“ fordert sie ein Ende der Abhängigkeit von externer Hilfe und Rohstoffexporten. Das Beispiel Marokkos zeigt einen Weg: Mit rund zwei Dritteln der weltweiten Phosphatreserven spielt das Land eine Schlüsselrolle in der globalen Ernährungssicherheit.
Reichtum im Boden, Potenzial auf dem Feld
Afrika ist reich an strategischen Rohstoffen: 78 % des Palladiums, 68 % des Phosphats und mehr als die Hälfte des Kobalts lagern auf dem Kontinent. Doch oft wird nur der Rohstoff exportiert – ohne lokale Weiterverarbeitung. Dabei steckt enormes Potenzial: Eine Tonne veredelte Bauxit bringt fast 36-mal mehr ein als in Rohform.
Auch in der Landwirtschaft bleibt vieles ungenutzt. 65 % der weltweit noch unbebauten Ackerflächen liegen in Afrika, gleichzeitig werden jährlich 78 Milliarden Dollar für Nahrungsmittelimporte ausgegeben – fast so viel wie die eigenen Exporte. Rund 50 % der Lebensmittel verderben ungenutzt, oft wegen fehlender Infrastruktur.
Demografie als Treiber des Wandels
Der Handlungsdruck wächst. Laut UN-Prognosen wird Afrikas Bevölkerung bis 2100 auf 3,8 Milliarden Menschen ansteigen – über ein Drittel der Weltbevölkerung. Um mit diesem Wachstum Schritt zu halten, müssten jährlich 20 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen.
Afrika neu denken – mit Afrika im Zentrum
Das Forum in Marrakesch diskutiert Wege zur finanziellen Souveränität: von der Stärkung der Binnenfinanzen über die Reform globaler Finanzstrukturen bis zur Anziehung privater Investitionen. Ziel ist es, vor der großen UN-Konferenz zum Entwicklungsfinanzierungswesen im Juli in Sevilla eine gemeinsame afrikanische Position zu formen.
Der marokkanische Ansatz gilt dabei als Vorbild: Aus der Krise soll ein Wendepunkt werden – hin zu einem wirtschaftlich selbstbestimmten Afrika. (Quelle: Le Matin)