
In Madagaskar wurden erstmals zwei Verurteilungen zur chirurgischen Kastration ausgesprochen. Diese Strafe wurde im Februar 2024 für Vergewaltiger von Kindern unter zehn Jahren in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf am 27. Januar äußerten unter anderem Frankreich, Chile und Spanien Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit dieses Gesetzes mit den Menschenrechten. In Madagaskar sorgt das Gesetz vor allem unter Medizinern für Aufruhr, da sich ein Teil der Gesundheitsfachkräfte gegen diese Art von Eingriffen stellt, berichtet RFI.
Weder die nationale Medizinische Akademie noch der Ärzteverband haben eine offizielle Stellungnahme zu diesem Strafmaß abgegeben. Dennoch ist das Unbehagen unter Fachkräften im Gesundheitswesen weit verbreitet. Nach unseren Informationen weigert sich ein bedeutender Teil der Ärzte, diese chirurgischen Kastrationen durchzuführen.
Ein Chirurg aus Antananarivo gehört zu denjenigen, die sich gegen den Eingriff stellen. „Wir Ärzte dürfen nicht die Rolle des Henkers übernehmen“, sagt er. Wir trafen ihn unter strengen Schutzmaßnahmen und haben sein Zeugnis zur Wahrung seiner Anonymität einem Dritten zur Einsicht gegeben. „Ich werde mich immer gegen eine Kastration aussprechen, wenn sie nicht zu medizinischen Zwecken erfolgt. Ich habe den Eid geleistet, das Leben des Patienten zu schützen. Ich habe bereits Räuber behandelt, die Banken ausgeraubt und vielleicht sogar Menschen getötet haben. Für Vergewaltiger gilt dasselbe: Ich muss sie behandeln, nicht sie bestrafen. Eine chirurgische Kastration ist irreversibel – sie tötet langsam.“
„Aus ethischer Sicht kann man niemanden gegen seinen Willen kastrieren“
Laut den Behörden reichten die bisherigen Strafen des Strafgesetzbuches nicht mehr aus, um der alarmierenden Zunahme von Kindesvergewaltigungen im Land entgegenzuwirken. Ein Argument, das eine Allgemeinärztin aus dem Süden der Hauptstadt nur teilweise nachvollziehen kann – auch sie betreut in ihrer Praxis Opfer dieses Verbrechens. Ihre Aussagen wurden ebenfalls anonym überprüft. „Vor einigen Tagen hatte ich ein eineinhalbjähriges Mädchen in meiner Praxis, das von seinem Onkel vergewaltigt wurde. In solchen Fällen erscheint die Kastration natürlich als Lösung, denn das Opfer wird lebenslange Folgen davontragen. Aber andererseits kann man aus ethischer Sicht niemanden gegen seinen Willen kastrieren.“
Präsident Andry Rajoelina hatte das Gesetz gleich zu Beginn seiner neuen Amtszeit als Priorität eingeführt. In den vergangenen Monaten wurde es sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene immer wieder kritisiert. Die katholische Kirche Madagaskars bezeichnete diese Strafe in einer Stellungnahme im Mai 2024 als eine Form der „Folter“. Das höchste Verfassungsgericht des Landes hingegen hat die Maßnahme als mit dem madagassischen Recht und den von Madagaskar unterzeichneten internationalen Abkommen vereinbar erklärt.