Marokko: Nach Rabat bringt König Mohammed VI. nun auch die Bevölkerung von Casablanca gegen sich auf

Marokko: Nach Rabat bringt König Mohammed VI. nun auch die Bevölkerung von Casablanca gegen sich auf

In Marokko sorgen Abrissarbeiten im Rahmen städtischer Entwicklungsprojekte weiterhin für Unmut und Proteste. Nachdem die Maßnahmen bereits in der Hauptstadt Rabat zu Spannungen geführt hatten, geraten nun die Einwohner von Casablanca in den Fokus des Unmuts.

Die Entscheidung, Häuser in der Altstadt von Casablanca im Zuge eines Wohnbauprojekts abzureißen, hat den Zorn der Bevölkerung entfacht. Die Behörden haben es versäumt, eine angemessene Umsiedlung zu organisieren, und die angebotenen Entschädigungen werden als unzureichend empfunden. Besonders betroffen ist das Viertel Mahaj Al Malaki in der Altstadt, das sich inzwischen zum Brennpunkt dieser Krise entwickelt hat – viele machen König Mohammed VI. direkt dafür verantwortlich.

Abrisse in Casablanca: Ein umstrittenes Projekt
Hunderte Familien haben ihre Häuser verloren, obwohl das Projekt offiziell der städtebaulichen Verbesserung dienen soll. Die Abrissarbeiten wurden von den lokalen Behörden genehmigt, fanden jedoch ohne Umsiedlungspläne für die betroffenen Bewohner statt. Ein Zusammenschluss der Betroffenen, angeführt von einem engagierten Sprecher, prangert die Situation scharf an. Er fordert, dass die für das Projekt verantwortliche Firma auch für die Unterbringung der obdachlos gewordenen Familien zuständig sein müsse.

Dabei geht es nicht nur um verlorene Häuser, sondern auch um die unzureichenden finanziellen Entschädigungen. Diese reichen nicht aus, um neuen Wohnraum zu beschaffen – besonders problematisch in der Altstadt, wo oft mehrere Familien unter einem Dach leben. Die lokalen Behörden und die Regierung geraten zunehmend unter Druck. Fatima Tamni, Abgeordnete der Demokratischen Linken, richtete eine Anfrage an Innenminister Abdelouafi Laftit, um zu erfahren, wie die Regierung die Krise lösen will.

„Lebensumfeld verschlechtert, Kriminalitätsrate gestiegen“
Tamni betonte die psychologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen für die Menschen im Viertel Mahaj Al Malaki. „Die Abrisse haben zu einem verschlechterten Lebensumfeld und einer steigenden Kriminalitätsrate geführt“, erklärte sie und forderte dringend angemessene Umsiedlungsmaßnahmen. Sie kritisierte auch die jahrelange Dauer des Projekts, die eine rechtzeitige Umsetzung alternativer Lösungen verhinderte. Die betroffenen Bewohner befinden sich nun in einer ausweglosen Lage.

Die Abgeordnete fordert gerechte Entschädigungen und eine ernsthaftere Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse, insbesondere für diejenigen, die ohne ausreichende Kompensation enteignet wurden. Die aktuellen Spannungen in Casablanca erinnern stark an die Ereignisse in Rabat, wo ebenfalls auf königlichen Befehl hin Abrisse stattfanden – was zu heftigen Reaktionen in der Bevölkerung führte. Auch dort äußerten Mitglieder des Gemeinderats Kritik an der Umsetzung der Stadtentwicklungsprojekte.

Parallele zu Rabat
Die Bürgermeisterin von Rabat, Fatiha El Moudni, verteidigte die Maßnahmen mit dem Hinweis, dass sie Teil einer umfassenderen Strategie zur Modernisierung der Hauptstadt seien und im Einklang mit geltendem Recht stünden. Trotzdem ließ die Kritik nicht lange auf sich warten – insbesondere von Oppositionsmitgliedern des Gemeinderats, die die Intransparenz der Projekte und die Rechtmäßigkeit der Enteignungen anzweifeln. Außerdem wird bemängelt, dass viele Betroffene gar nicht oder zu spät informiert wurden. Es kursieren Gerüchte, dass einige der Grundstücke für Luxuswohnanlagen oder Golfplätze vorgesehen seien – was für zusätzlichen Ärger sorgt.

Ob in Casablanca oder Rabat: Die Frage des Wohnersatzes bleibt zentral. In Casablanca stehen ganze Familien ohne Dach über dem Kopf da, und die Entschädigungen reichen oft nicht einmal für Miet- oder Kaufpreise von Ersatzwohnungen – in einem Immobilienmarkt, dessen Preise stetig steigen.

Ein umstrittenes städtisches Entwicklungsprojekt
Viele der betroffenen Bewohner sehen sich gezwungen, ihre Häuser unter Wert zu verkaufen oder sie unter Druck aufzugeben. Das führt nicht nur zu einem enormen Verlust an familiärem Besitz, sondern auch zu einem Gefühl von Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch. Die fehlenden Alternativen verstärken zudem die soziale Ausgrenzung, da Betroffene in entlegene Stadtteile umgesiedelt werden – fernab von Arbeitsmöglichkeiten und sozialen Netzwerken. Das verschärft Armut und Arbeitslosigkeit.

Die Behörden betonen indes die Notwendigkeit der Abrissmaßnahmen, um die Städte zu modernisieren und attraktiver für Investoren und Touristen zu machen. Doch für viele Betroffene steht derzeit nicht die Stadtentwicklung im Vordergrund, sondern schlicht die Frage: Wo sollen wir jetzt leben? (Quelle: afrik.com)