Buchtipp: „Kritik des deutschen Kolonialismus – Postkoloniale Sicht auf Erinnerung und Geschichtsvermittlung“

Buchtipp: „Kritik des deutschen Kolonialismus - Postkoloniale Sicht auf Erinnerung und Geschichtsvermittlung“Kamerun, Togo, Tansania, Burundi, Ruanda (Deutsch-Ostafrika) und Namibia sind Länder mit deutsch geprägter Kolonialgeschichte. Allen diesen Gebieten gemeinsam ist die unbeschreiblich grausame Unterdrückung der dort lebenden Bevölkerungsgruppen. Die Art und Weise der gezielten Willkür, der Gewalt und des Machtmissbrauches veränderten die existierenden Sozialstrukturen, die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse. Die Ergebnisse dieser Schreckensherrschaft sind eng mit dem Völkermord an den Ovaherero und den Nama verbunden.

Verträge mit den unterschiedlichen Gruppen wurden geschlossen, oft unter falschen Versprechen und unter Zwang, um sich den Zugang zu den vorhandenen Ressourcen zu sichern, sich skrupellos der Arbeitskräfte zu bedienen und den direkten Zugang zu den Märkten zu erobern. Eine bedeutende Rolle, zur Sicherung des deutschen Einflusses, spielte die Absicherung durch die deutsche Schutzmacht. Diese garantierte die gewaltsame Unterwerfung der Bevölkerung.

Teile der Bevölkerung, die durch die koloniale Kooperation Vorteile in der eigenen Herrschaftssicherung sahen, arbeiteten mit der Kolonialmacht zusammen.

Beleuchtet wird in diesem Buch das Vorgehen der deutschen Kolonialmächte in der Südsee. Auch hier übte die deutsche Absicherung des Eingreifens eine wichtige Funktion aus.

Der Boxeraufstand im asiatischen Raum legt profundes Zeugnis darüber ab, wie sich die folgenschwere Intension der Vernichtung in der Praxis auswirkte.

Die Autor*innen stellen Fragen nach adäquater Kritik, warum die Verurteilung von Unrecht und Verbrechen des Kolonialismus kaum die Betroffenen, ihre Geschichte und ihre Gegenwart in das Blickfeld rückt.

Wichtig sei ein tieferes Verständnis und gesichertes Wissen. Der Blick und das Bewusstsein für historisches Unrecht in der Gegenwart zu fördern und zu schärfen sind elementar. Es geht um eine Erweiterung der Perspektiven.

Eine tiefe Unkenntnis, wie die Menschen vorher lebten und was alles durch die Kolonialmächte an materiellen und kulturellen Gegebenheiten zerstört wurde, ist nach vor existent. Bei der Analyse der Komplexität werden mitunter die Menschen Afrikas und Kulturen selbst als Ursache des Problems gesehen. Vermieden wird damit eine Klärung der Entwicklungen des kolonialen Afrikas. Andreas Eckert unterstreicht, dass wir das übersehen, was wir Afrika verdanken.

Henning Melber betont in seinem Artikel zu den deutschen Schutzgebieten, die Besonderheiten der deutschen Fremdherrschaft, die detaillierte Betrachtungen erfordern. Deutschland hat eine schwere Hypothek, den Völkermord, zwei Weltkriege und den Holocaust. Für Melber stellt sich die Frage, ob der Kolonialismus als Wegbereiter der nachfolgenden Gewalttaten gesehen werden kann.

Kolonialer Landraub, die Vernichtung tradierter Lebensweisen sind einige der Merkmale in der geschichtlichen Entwicklung dieser kolonialen Epoche.

Im zweiten Teil des Buches werden Aspekte von Erinnerungskultur und Sprache in der Bilanz von 20 Jahren Kritik am Afrikabild in den Schulbüchern ausführlich angesprochen. Das Bild von Afrika ist negativ geprägt. Lange Zeit galt der afrikanische Kontinent als wild und unzivilisiert. Diese Charakterisierung hält sich in manchen Kreisen hartnäckig, sie diente der Rechtfertigung der europäischen Interventionen. Dörte Lerp weist daraufhin, dass deutsche und koloniale Geschichte miteinander verbunden sind, und dass nach den Nachwirkungen des Kolonialismus bis heute zu fragen sei.

Nicht nur die Ansichten der kolonialen Akteure gilt es näher zu beleuchten. Es ist bedeutsam, in diesem Zusammenhang den Widerstandsgruppierungen mehr Gewicht zu geben. So eine der Forderungen der Autor*innen im vorliegenden Sammelband.

Diese Veröffentlichung ist eine lesenswerte Neuerscheinung zu den bereits erschienenen Publikationen zu Namibia. Sie kann sicherlich dazu beitragen, die gewachsene Aufmerksamkeit an Erinnerungen und deren Interpretationen am Leben zu erhalten (Theresa Endres).

Wolfgang Geiger Henning Melber (Hrsg.)
Kritik des deutschen Kolonialismus – Postkoloniale Sicht auf Erinnerung und Geschichtsvermittlung
20 21, brandes+apsel Verlag, Frankfurt am Main
ISBN 978-3-95558-307-1
196 Seiten, Euro24,90